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Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft

Thema:


Boden, Landwirtschaft und Ernährung unter zunehmendem Druck des Geldes

87. Jahrestagung der SVIL an der ETH, Eidgen. Techn.Hochschule, Zürich Montag, 17. Oktober 2005, 13.30 bis 18 Uhr, Hauptgebäude, ETH-Zentrum, Zürich City, Rämistrasse 101, Auditorium maximum Referate und Diskussion

Zur Fragestellung
... zu den Fragen

Wir verlieren laufend weiter wertvolles Ackerland, obwohl wir zu den am dichtesten besiedelten Ländern der Welt gehören. Niemand weiss, wie man das Zubauen der Schweiz zur Grossmetropole noch verhindern könnte.
Irgendwie herrscht die Vorstellung vor, die Globalisierung oder „die vernetzte Welt“ vergüte uns die nunmehr fehlende eigene Ressourcengrundlage und den Verlust der eigenen Landwirtschaft wie auch der abgewanderten Industrie. Im Gegenzug beschere sie uns steigende Kaufkraft in Folge deutlich sinkender Lebensmittelpreise zur Sicherung der - als Folge dieser Politik - zukünftig notwendigerweise ansteigenden Importe. Man argumentiert nur noch in reinen Preisvergleichen und nicht mehr in den zugrunde liegenden Zusammenhängen.
Unsere Argumente dagegen sind niemals diejenigen einer geschlossenen Volkswirtschaft. Dagegen spricht allein schon die Geschichte der Schweiz als seit Jahrhunderten durch Freihandel mit dem Weltmarkt verflochtenes Land. Es fehlt aber heute der Ausgleich zwischen Kapitalertrag und Arbeitseinkommen in einer zunehmend arbeitsteiligen Wirtschaft. Das führt zur Verschleisswirtschaft, was für die Schweiz besonders akut ist, weil wir wenig eigene Ressourcen haben. Dies sind die Grundgedanken der SVIL seit 1918.
Volkswirtschaften mit knappen natürlichen Ressourcen wie die Schweiz müssen darauf achten, Stabilisierungs- und Ausgleichsmöglichkeiten zu behalten und immer wieder neu zu schaffen. Hier liegt der Grund, warum wir unseren landwirtschaftlichen Boden nicht mehr weiter überbauen können und warum wir uns der Versuchung zur Metropole Schweiz widersetzen müssen.
Wenn heute - nachdem die Bretton Woods Organisationen ihre ursprüngliche Funktion längstens eingebüsst haben - eine unkontrollierte Geldschöpfung glauben macht, man könne so die Welt zusammenkaufen, dann ist doch allmählich zugegeben, dass künstlich kreierte Leitwährungen, - wenn Rohstoffflüsse und Geldflüsse immer mehr auseinanderklaffen und nie zum Ausgleich kommen -, wertmässig trotz allen ideenreichen Auffangversuchen ausser Kontrolle geraten. Und weil diese Gefahr real droht, dazu die Risiken von Klima und Seuchen in globalen Dimensionen sich abzeichnen und deshalb Ressourcen immer deutlicher unter militärische Kontrolle kommen, spielt eine eigene Ernährungsbasis eine zentrale Rolle.
Dann braucht auch die Exportwirtschaft eine eigene Landwirtschaft und darum braucht gerade die Schweiz eigenes Landwirtschaftsland, das unsere Selbständigkeit in Zeiten grosser Währungsverwerfungen, (nachdem auch wir grosse Mengen Gold unverzeihlicherweise verkauft haben), sichert. Die eigene Ressourcenbasis in der Landwirtschaft ist aber mehr als nur Vorsorge hinsichtlich aufbrechender Verwerfungen, es ist die unverzichtbare Basis eines freien volkswirtschaftlichen Aufbaues. Es gibt keine Industrieentwicklung ohne Grundrente. Und zwar Grundrente verstanden als diejenigen Stoffe, die wir mit Intelligenz aus dem Boden gewinnen und verwerten. Dies beruht darauf, dass ein Bauer viele Menschen ernähren und für nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit freistellen kann. Zum unerlässlichen innovativen Verhalten gehört deshalb, die Kräfte, die zum Bodenverbrauch führen und Landwirtschaft und Ernährung in Bedrängnis bringen, besser verstehen zu lernen

Zu den Antworten

Die SVIL-Tagung zeigt, welchen Stellenwert ein Unternehmer (Ivo Muri) der Landwirtschaft zumisst. Wo liegen die Gründe für die aktuelle Unterbewertung der Landwirtschaft in der Wirtschaft und wo muss eine Erneuerung wirklich anpacken?
Enorme Geldmengen, die nach Anlage suchen, drängen in die Schweiz und in den metropolitanen Boden (Peter Bisang). Woher kommen diese Gelder, um welche Dimensionen geht es und was heisst das für unsere konkrete Lebenswelt, wo wir wohnen und wirtschaften?
Was charakterisiert „die reiche Schweiz“? Welcher Reichtum ist gemeint? Über welche Ressourcen verfügen wir und welche Grundlagen fehlen uns? Diese Klarstellung eines Politikers (Thomas Brändle) führt uns dann zu den Fakten und der ernüchternden Bilanz des Ingenieurs (Claude Lüscher), warum es bisher in der Schweiz nicht gelungen ist, das restliche gute Landwirtschaftsland zu reservieren, und wo der Konsens zum Handeln nicht zustande kommt.
Es genügt nicht mehr, dass die Verbände „die Raumplanung als zahnlos“ beschuldigen, die Untätigkeit der Planer und den kleinen Mann anklagen, der nichts von „Schutz“ und „Ökologie“ begriffen habe etc.. Die Schwierigkeiten, das gute Landwirtschaftsland zu schützen und den fehlenden Konsens dazu nicht zustande zu bringen, können nur aus den enormen Problemen der Geldwirtschaft begriffen werden. Dies gilt nicht nur für den Bodenschutz, dies gilt auch für den Schutz der unverfälschten Nahrung, welche aus diesem Boden gewonnen wird.
Bezüglich dem Bodenschutz ist von Bedeutung, dass der Boden seit der liberalen Re¬volution zwei Seiten hat: der Boden ist für den Bauern Nutzungsgrundlage, aber zugleich Sicherheit von Geldkrediten. Die Landwirtschaft (Werner Grimm) kann unter dem Anlagedruck in den Boden nur existieren, wenn die freie Belehnbarkeit des Bodens eingeschränkt bleibt. Dass das bäuerliche Bodenrecht lediglich als Sündenfall wider die Marktwirtschaft beurteilt wird, zeigt, dass heute das Wissen über unsere Eigentumsordnung unter diesem Druck des Geldes bzw. unter der Erfahrung, dass Bodenschutz die Wirtschaft am Wachstum hindere, abhanden kommt. Und dadurch wird auch die aktuelle Geldordnung in ihren Wirkungen nicht mehr wahrgenommen. Somit bleiben alle irgendwo punktuell ansetzenden Massnahmen gegen den weiteren Bodenverbrauch wirkungslos.
Das gilt auch für die Standards der Ernährung.
Die Ernährung der Menschen ist mehr als ein Konsumvorgang. In der Ernährung nimmt der Mensch die Umwelt körperlich in sich auf. Die Chancen in einer Industriegesellschaft, sich gesund zu ernähren, sind grösser als in der Subsistenzgesellschaft. Aber die Risiken, sich falsch zu ernähren oder die Ernährung sogar in fragwürdiger Weise zum einträglichsten Geschäft der Zukunft (Wasser, Saatgut, Artenpatentierung etc.) zu machen, sind da. Wie die Ernährung insgesamt der Entfremdung ausgesetzt ist, wird in einem weiteren Beitrag thematisiert (Christine Hürlimann). Der Konsument droht in einer Zeit des Überflusses dennoch seiner ganzheitlichen Lebenswelt verlustig zu gehen. Seine Bedürfniswelt hängt mit einer realen regionalen Umwelt zusammen, wo der Mensch „ein-wohnt“ und frei ist. Hier gelangen wir wie beim Bodenverbrauch an Grenzen, wo die beliebige Umgestaltung der menschlichen Lebenswelt aus reinem Erwerbszwang nicht mehr weiterführt. Beim Essen können wir das erfahren.
Dass gerade die Bauern kraftvoll auf diesen Lebenszusammenhang zwischen Ernährung, Wohnen und Bedürfnis der Konsumenten hinweisen, ist eine Chance der Erneuerung unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Das Gentech-Moratorium (Josef Kunz) will das Recht der Konsumenten auf gentechfreie Lebensmittel mit dem Angebot der Bauern an frischen und risikolosen Produkten verbinden. Zum Schutz des Bodens gehört, dass Bauern und Konsumenten in Freiheit selber bestimmen, was sie pflanzen und essen!

Zusammenfassung

Reformziele wie die Lockerung der Raumplanung und des bäuerlichen Bodenrechtes beinhalten die Verlagerung unserer Ernährung ausser Landes. Sie folgen den Vorstellungen, im Ernährungsbereich einen Wachstumsmarkt zu schaffen. Vom Standpunkt des Kapitalanlegers her scheint das möglich; von den realen Möglichkeiten des Bodens und der Natur ist das jedoch nicht möglich.

Nachfolgend eine Übersicht der grundsätzlichen Aussagen der acht Referate:

Ivo Muri, Unternehmer, Sursee: Bereits in der historisch ältesten Geldwährung, die wir kennen, dem Schekel, wurde Gold gegen Getreide aufgewogen, weil wir letztlich von Getreide leben. Gold können wir nicht essen. Folglich ist eine unkontrollierte Geldentwicklung fraglich.
Heute entwickelt sich das Geld durch privatrechtliche, unbegrenzte Wertschöpfung völlig unkontrolliert zu riesigen Geldsummen, während auf der real-dinglichen Seite die Natur, der Boden, die Pflanzen, die Tiere und auch die Menschen nicht beliebig mit dem Geld mitwachsen können. Muri's Vorschlag ist, das Geldwesen einer demokratischen Kontrolle zu unterstellen.

Peter Bisang, Innovationsmethodik, Balzers: Nimmt das Geldkapital ständig und unbeschränkt zu, so folgt daraus ein "Anlagegeldfluss in den Boden- und Immobilienbereich". Letztlich wird das Geld gezielt in nicht überbautes, logistisch günstiges Landwirtschaftsland investiert, weil hier Wertsteigerungen viel schneller realisiert werden können als in der Industrie. Die Verstädterung der Schweiz ist vorprogrammiert....

Thomas Brändle, Kantonsrat Kt. Zug, Unterägeri: Im Kanton Zug kommt eine eigentliche Reichtumsspirale in Gang, wo der Zufluss an Geldvermögen die Bodenpreise und Mietzinse und in der Folge die Lebenshaltungskosten nach oben treibt. Das Beispiel des Kantons Zug zeigt, dass die Hochpreisinsel Schweiz mit dem Handels- und Finanzplatz korreliert und nicht mit der Landwirtschaft, welche unter dieser Preisentwicklung zusätzlich belastet wird.

Claude Lüscher, arcoplan Lüscher, Pfister + Partner, Ennetbaden: Wenn sich der Mensch direkt von pflanzlichen Produkten ernährt, ohne Umweg über die Fleischproduktion, dann kann die Ernährung mit bis zehnmal weniger Fläche gesichert werden. Dies ist jedoch nur auf entsprechend für den Ackerbau geeigneten Böden möglich. Die Kantone haben auf Anweisung des Bundes rund 440'000 Hektar der besten ackerfähigen Böden durch Massnahmen der Raumplanung zu schützen. Es ist allerdings bis heute nicht gelungen, die von der Bodenkundlichen Gesellschaft der Schweiz erarbeiteten Kriterien zur Ausscheidung dieser Flächen verbindlich vorzugeben. Deshalb werden laufend beste Böden überbaut.

Werner Grimm, Landwirt, Herrenschwanden: Boden ist für unsere kleinflächige Schweiz nebst Wasser und Luft eine unvermehrbare, existentielle Lebensgrundlage. Die durch die liberale Grenzöffnung bedrohte und politisch immer weniger wichtige wertschöpfende landwirtschaftliche Produktion darf nicht durch eine gleichgesetzte Paralandwirtschaft ersetzt werden, welche den Ertragswert und das Bodenrecht als weitere Zukunft einer produzierenden Landwirtschaft in Frage stellt.

Christine Hürlimann, Slow Food Schweiz, Zürich: Der scheinbar wirtschaftliche Nutzen des Billigimportes und der Convenience Produkte wird durch die deutlich ansteigenden Krankheitskosten um ein Vielfaches übertroffen. Die Frischanbieter müssen sich herausheben, sie müssen zeigen, dass sie einen Mehrwert verkaufen, sie müssen für die Konsumenten eine Erlebnisumgebung schaffen, ihre Frischekompetenz unterstreichen, die Gesundheitsfaktoren kommunizieren, und die Produkte sollen ihre Geschichte erzählen. Die Landwirte müssen eng mit den Konsumenten zusammenarbeiten.

Josef Kunz, Nationalrat, Landwirt, Grosswangen: Unsere Landwirtschaft kann nicht wie die Industrie ihre Produktion ins Ausland auslagern. Es ist von ausserordentlicher Wichtigkeit, dass sich unsere Produkte nicht bloss im Preis, sondern auch in der sorgfältigen Produktion im Bezug auf Tierschutz, Ökologie und Gentechnik vom Ausland abheben. Dazu bietet sich der Landwirtschaft eine ausserordentliche Chance, ihre Produkte gentechfrei als Spezialität im In- oder Ausland zu positionieren.

Übersicht der Referate

Hans Bieri, SVIL,Einleitung zur Tagung

Ivo Muri, Unternemer, Sursee
•Gedanken eines Unternehmers, warum braucht die Industrie eine landeseigene Landwirtschaft mit genügend eigenem Boden?
•Wenn Menschen nichts zu essen haben, dann brauchen sie auch kein Geld mehr: wie das Geld erfunden wurde und wie dies mit der Landwirtschaft zusammenhängt.
•Wie Wirtschaftskrisen entstehen, Menschen von Nahrungsmitteln abgeschnitten werden und wie wir dies verhindern könnten.

Peter Bisang, Innovationsmethodik, Balzers
Der Anlagegeldfluss in den Boden- und Immobilienbereich - Auswirkungen auf Gesamtwirtschaft und Gesellschaft

Thomas Brändle, Kantonsrat Kt. Zug, Unterägeri
Der reiche Kanton Zug - der volkswirtschaftliche Reichtum aus Sicht eines Gewerblers

Claude Lüscher, arcoplan Lüscher, Pfister + Partner, Ennetbaden
Hindernisse beim Schutz des guten landwirtschaftlichen Bodens (am Beispiel des Sachplans Fruchtfolgeflächen SP FFF)

Werner Grimm, Landwirt, Herrenschwanden
Der Boden aus Sicht des Bauern: Produktionsmittel oder Vermarktungsobjekt der Paralandwirtschaft bei Öffnung von Raumplanungsgesetz und Bodenrecht

Christine Hürlimann, Slow Food Schweiz, Zürich
Ernährung im 3. Jahrtausend im Spannungsfeld von Zerstreuung, Übersättigung und wissenschaftlichen Erkenntnissen (back to the future)

Josef Kunz, Nationalrat, Landwirt, Grosswangen
Das Interesse der Landwirtschaft gegen vorzeitige Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen.

Diskussion

Hans Bieri, SVIL, Zürich
Zusammenfassung

17.40
Schluss


Die Referate — hier anklicken