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Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft

EXPOAGRICOLE 2002 in Murten


Unser Anliegen: Aliianz von Produzenten und Konsumenten
2. Veranstaltung vom 6. August 2002
3. Veranstaltung vom 11. Oktober 2002
Nachwort

1. Veranstaltung vom 27. Mai 2002

Für eine Allianz Produzenten – Konsumenten

Gesunde Lebensmittel statt mehr Gesundheitskosten

Wir leben im Überfluss: Und doch sind weder Produzenten noch Konsumenten glücklich mit der gegenwärtigen Lage. Der qualitätsbewusste Produzent wird nicht mehr angemessen entlöhnt, der Konsument kämpft sich durch Erzeugerlabels, er rätselt über die Preisgestaltung, und er sieht sein Vertrauen in Sicherheit und Gesundheit durch Lebensmittelskandale auf die Probe gestellt. Welches sind die Gründe und welche Lösungen können wir skizzieren? Wie finden Konsumenten und Produzenten im gegenwärtigen Markt besser zueinander? Verarbeiter und Verteiler nutzen ihre Nähe zu den Abnehmern nicht dazu, das Preis-Leistungs-Angebot der bäuerlichen Produzenten nachvollziehbar zu machen. Die Agrarreform hätte der Landwirtschaft nach der Ablösung der staatlichen Marktordnungen gestatten müssen, eine angemessene Ausgangsposition für ein griffiges Marketing aufzubauen. Das hat der Landwirt Jakob Brütsch aus Barzheim (SH) am Symposium vom Montag 27. Mai in der Expoagricole in Murten auf den Punkt gebracht: Die Politik hat verhindert, dass der Bauer seinen Produkten eine Botschaft mitgeben kann. Statt seiner würden dies die Grossverteiler ungeschmälert tun, deren Marken und Werbung ihnen selbst, aber nicht ihren Zulieferern nützten. Die Landwirtschaft befinde sich damit in einer Kommunikationsfalle, aus der sie nur mit einer Allianz mit dem Konsumenten herausfinden kann. Es gehe darum, den vielen Verunsicherungen im Bereich von Lebensmittelqualität und Gesundheit gemeinsam und an der Quelle zu begegnen.

Überfluss und offene Wünsche
Die Fragen sind bekannt. Sind Bionahrungsmittel frei von Lebensmitteltechnologie? Ist die Landwirtschaft mit all ihrer Technik noch als naturnahe Produktion zu betrachten? Es ergeben sich knifflige Abgrenzungsprobleme, sobald man sich entscheiden muss, ob denn auch UHT-Milch mit einem Bio-Label zu zertifizieren ist. Der Referent Richard Robbiani von Unilever zeigte, wie ab der Benützung des Feuers für die Essenszubereitung durch den Menschen die Technik Einzug in die Nahrungsmittelherstellung gehalten hat. Er zog von dort eine direkte Linie zu der Ernährungsindustrie und in die Küchen der Einzelhaushalte. Das Problem, das die Industrie auf den Plan gerufen habe, sei nicht die Haltbarmachung an sich sondern die Distribution von Nahrungsmitteln. Die Menschen leben heute in den grossen Ansammlungen der Städte auch in gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen. Im Vordergrund stehe dabei nicht die Frischversorgung sondern der Wunsch nach Convenience plus Haltbarkeit, mit vorherrschenden, sich verändernden Genussvorstellungen.
Die Präsidentin des Konsumenten-Forums Schaffhausen, Esther Brogle, widersprach der Sicht des Vertreters der Nahrungsmittelindustrie. Die Konsumenten seien nicht frei: Sie können auswählen, aber nicht wählen. Die Industrie dränge ihnen Lebensstile auf, die zusammen mit Verheissungen zum Kauf animieren sollen. Sie verwies auf die Ergebnisse der vorbereitenden Workshops in Schaffhausen, die gezeigt hätten, dass die Konsumenten naturnahe und unverfälschte Lebensmittel wünschen. Zusammen mit den Bauern wird das Konsumentenforum Schaffhausen daher eine Interessengemeinschaft Produzenten-Konsumenten gründen. Auf diese Weise sollen die Bauern eine bessere Möglichkeit erhalten, ihre Preise und Leistungen beim Konsumenten bekannt zu machen. In die gleiche Kerbe schlug Bauernsekretär Ernst Landolt, der eine Allianz Bauern-Konsumenten als Voraussetzung für eine bessere gegenseitige Information von Bauern und Konsumenten ansieht.

Mehr Marktmacht
Der Landwirt Jakob Brütsch bestätigte, dass es erfolgreiche Initiativen der Bauern gebe, sich als Produzenten mehr Marktmacht zu verschaffen. Beim Getreide seien solche Geschäftsmodelle bereits umgesetzt worden. Dadurch habe der Druck auf die Landwirtschaft von Seiten der Grossverteiler bereits etwas weggenommen werden können.

Freie Assoziationen
Alexander Caspar begrüsste als Bankfachmann die Initiativen der Bauern und der Konsumenten zur Bildung von Assoziationen Produzenten-Konsumenten. Er meinte aber, dass man es damit nicht bewenden lassen könne. Gegenwärtig würden Rationalisierungsgewinne der Industrie ständig in neue Produktionslinien angelegt und parallel dazu die Geldmenge ständig ausgeweitet; dies erzeuge einen wirtschaftlich vernichtenden Druck auf die Urproduktion. Man lässt heute die Wirtschaft – wie die Konsumenten feststellen und betonen –, nicht beim Bedürfnis beginnen, sondern beim Erwerb, daher sei die unerbittliche Konkurrenzierung unserer Produzenten durch Importe aus Weltgegenden, die unter anderen politischen Bedingungen die Arbeitslöhne wesentlich tiefer halten können, unausweichlich. Dieser Vorgang ruiniere aber letztlich nicht nur die Landwirtschaft sondern die Industrie selbst.

Servicepool und Zukunft
Organisationsberater Eberhard Kutschke zeigte, wie die Zusammenarbeit von Bauern und Konsumenten durch die Schaffung von Regelkreisen gefördert werden kann. Mit einem Servicepool, der Waren und Dienstleitungen im Lebensmittelbereich vermittelt, sollen die Produzenten ihre Verhandlungsmacht am Markt stärken und dadurch qualitativ bessere Ergebnisse realisieren können. In der regen Diskussion über diesen Vorschlag wurden die Chancen der Allianz Bauern-Konsumenten bestätigt. Der Ruf nach dem Staat beim Konsumentenschutz fand vor allem bei den Konsumentenvertreterinnen, die ihre Hoffnung auf eine intensivere Zusammenarbeit mit den Produzenten setzen, wenig Gehör.
Die Diskussion ist nicht abgeschlossen: In weiteren Schweizer Städten werden Workshops zu dem angesprochenen Thema abgehalten. Die Erfahrungen stehen am 6. August einen Tag lang in einer weiteren Zukunftswerkstatt an der Expoagricole im Mittelpunkt. Das unter der Ägide der Schweizerischen Vereinigung Industrie und Landwirtschaft stehende Projekt soll über die Expo.02 hinaus weitergetragen werden und konkrete Formen einer neuen Beziehung zwischen Konsumenten und Produzenten erzeugen.
HB/JW

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