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Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft

Vernehmlassung zur Agrarpolitik 2011

An das
Eidgen. Volkswirtschaftsdepartement
Herrn Bundesrat Joseph Deiss
Bundeshaus Ost
3003 Bern
Zürich-Oerlikon, 8. Dezember 2005



Sehr geehrter Herr Bundesrat,
sehr geehrte Damen und Herren,
die SVIL, Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft, möchte die Gelegenheit wahrnehmen und mit der nachfolgenden Stellungnahme am Vernehmlassungsverfahren zur Agrarpolitik 2011 teilnehmen. Bei dieser Gelegenheit möchten wir Ihnen für die zugestellten Unterlagen und die Einladung zum Verfahren bestens danken.
Die SVIL, welche 1918 gegründet wurde, befasst sich mit den Randbedingungen eines nachhaltig prosperierenden Wirtschaftsraumes. Die Themen seit 1918 waren und sind es immer noch:
o Raumplanung gegen eine unkontrollierte Verstädterung der Schweiz, o Massnahmen gegen die Bodenspekulation zur Lösung der Wohnungsfrage und o Beiträge zum quantitativen Bodenschutz und sogar zu Neulandgewinnung als Kompensation zum Bodenverlust durch Verstädterung sowie o die rationelle Bodennutzung.
Anlass unserer Gründung war die Versorgungskrise 1918 in der Schweiz. Der Freihandel war entwickelter als heute. Schon damals wurden Lebensmittel mit einem starken Franken gekauft und importiert. Die Transporte kamen jedoch aus politischen Gründen in der Schweiz nicht mehr an. Der Generalstreik 1918 war die Folge.

Der vorliegende Reformvorschlag zur AP 2011 stellt teilweise eine technische Fortschreibung bereits in der Umsetzung stehender Szenarien dar, die nun kritisch geprüft werden müssen. Im Bodenrecht und in der Raumplanung sind grundlegende Veränderungen zur Diskussion gestellt.

Unsere Stellungnahme gliedert sich wie folgt: Seite
A. Zur bundesrätlichen Präsentation der AP 2011 - ein Überblick 2
B. Zur Vorlage in einzelnen ausgewählten Punkten 7
Zur Begründung, zu den Denkansätzen 7
Zu den konkreten Gesetzesänderungen 10
Zu den Inhalten des Landwirtschaftsgesetzes 10
Preisproblem 10
Zur kommerziellen Tätigkeit der Forschungsanstalten 15
Fragwürdiger Umgang mit dem Bodenschutz 15
Freihandelsabkommen mit Drittstaaten 16
Zur Nachhaltigkeit 16
Zum Bodenrecht und zur Raumentwicklung BGBB / RPG 17
Zur Aufhebung der Preisbeschränkung 20
Baurechte, Landerwerb im öffentlichen Interesse, abgeschlossene
Landverkäufe unter der Preisbeschränkung 21
Zur Aufhebung der Belastungsgrenze 21
Bezug zur RPG-Revision 22
Zur Regionalpolitik 23
Fazit 23





A. Zur bundesrätlichen Präsentation der AP 2011 - ein Überblick

Bundesrat Deiss vor dem Innerschweizer Bauernbund am 18. November 2005 in der Krieger-Halle in Ruswil.


Bundesrat Deiss begründet die AP 2011 mit den laufenden WTO-Verhandlungen. Die schweizerische Landwirtschaft müsse mit den Preisen herunter, weil sonst der Grenzschutz nicht weiter abgebaut und die Grenzen für die Lebensmittel nicht weiter geöffnet werden könnten. Das verlangten die WTO und die schweizerische Exportwirtschaft gemeinsam.

Zu dieser heute verbreiteten Darstellung muss Folgendes ergänzt werden:
Dass andere Länder, die eine eigene Industrieentwicklung aufbauen möchten, unsere Exportprodukte in Industrie und Dienstleistung mit Zöllen belasten möchten, ist verständlich. Da der Zollabbau für Industriegüter aus der Schweiz vorwiegend den exportierenden Industrieländern einseitig nützt, halten die Importländer Ausschau, wo sie diesen Verlust wettmachen können. Offenbar stehen auch die weniger entwickelten Länder unter Druck, ihre Zölle zu senken. Der Druck auf die Beseitigung des Agrarschutzes der bevölkerungsreichen alten Industrieländer wie der Schweiz kommt jedoch aus den USA und den dort ansässigen Handelsorganisationen und nicht aus der Dritten Welt. Als das GATT entstand, waren z. B. die Agrarprodukte von den Freihandelsverhandlungen ausgenommen. Von Anfang an hatte die Schweiz, welche im Industriebereich immer stark freihandelsorientiert war und sich durch einen starken Franken und ein hohes inneres Preisniveau auszeichnete, Schutzmassnahmen zur Erhaltung ihrer eigenen Landwirtschaft ergreifen müssen. Je höher die Einkommen in der Schweiz im Lauf der Jahrzehnte stiegen, umso höher kletterten auch die Konsumentenpreise. Folglich ergab sich durch die währungsbedingte ständige Verbilligung der Importe sukzessive ein Grenzschutz, um eine eigene Landwirtschaft aus Gründen der Qualität der Ernährung und der Versorgungssicherheit erhalten zu können. An dieser Ausgangslage hat sich bis heute nichts geändert - nur wird sie heute nicht mehr kommuniziert.
Ein weiteres Moment ergibt sich daraus, dass diese Kaufkraft der hoch entwickelten Länder, welche in die jeweils eigene Landwirtschaft fliesst, nun die USA im Lebensmittelbereich für sich, bzw. für den aus den USA operierenden Weltagrarhandel erschlies¬¬sen möchten. Dadurch sollen auch Verluste kompensiert werden, welche die USA auf den Industriemärkten durch den Zollabbau hinnehmen müssen. Dahinter steht jedoch noch eine andere Überlegung. Es kann ja nicht verborgen bleiben, dass durch die fragwürdige Interpretation hoher Kaufkraft als Handelsverzerrung logischerweise jedes entwickelte bevölkerungsreiche Industrieland früher oder später auf seine eigene Landwirtschaft verzichten müsste. Das einzige entwickelte Industrieland, welches im grossen Stil billig Nahrungsmittel ohne offizielle Exportsubventionen exportiert, sind die USA. Warum? Strategisch billiger Energieimport, gewaltiges Handelsbilanzdefizit, also ständiger Geldkapitalexport führen im Gegensatz zu Europa zu einer ständigen künstlichen Verbilligung der Agrargüter, die in Europa wegen der positiven Handelsbilanz gegenüber den USA zwar ständig ansteigen, jedoch hinter den eigenen Industriepreisen dennoch ständig zurückbleiben.
Bei der Stützung der Landwirtschaft wird ja unterschieden zwischen der Exportsubventionierung und dem Importschutz. Der Schaden in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer wird nämlich angerichtet durch die Exportsubventionierung, also durch die Verbilligung von Mais, Getreide, Baumwolle auf den Weltmärkten durch Giganten wie die USA, die dadurch die Landwirtschaft der Entwicklungsländer ruinieren. Im Gegensatz zu Europa handelt es sich nicht um eine Überschussverwertung, angeheizt durch die Preis-Kosten-Schere sondern um eine generelle tiefe Bewertung von Land, Rohstoffen und Industrie, weil die ständig nach aussen abfliessenden Geldmengen, sowie wegen der bedeutend geringeren Bevölkerungsdichte die importierten Energierohstoffe zu tiefen Preisen, auch tiefe Bodenpreise und damit die Preise der amerikanischen industriellen Versorgungswirtschaft relativ tief halten.
In den WTO-Verhandlungen, so wird gesagt, würden sowohl der Abbau der Exportsubventionen verlangt wie auch der Abbau der Zölle. Wenn wir also unsere Zölle weiter abbauen müssen, so müssten wir Zusicherungen haben, dass die Länder mit extremen Handelsbilanzdefiziten nicht von Zusammenhängen profitieren dürfen, die währungsbedingt zu massiven Verbilligungen ihrer Landwirtschaftsexporte führen. Zölle sind klar bezifferbar. Exporthilfen im agro-industriellen Bereich der USA sind heute schon ein weites Feld. Und was da ein WTO-Büro in Genf gegen die harten Fakten der billigen Lieferungen der USA in wirtschaftlich schwache Länder mit für die USA strategischer Bedeutung ausrichtet, kann man an anderen Fragen des nicht beachteten internationalen Rechts abschätzen.
Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen, müssen die Länder frei und souverän ihre eigenen Risiken abschätzen können, denn den objektiven indifferenten Freihandel gibt es in Anbetracht derart ungleichgewichtiger Handelsbilanzen nicht.

Eine Neubeurteilung der Handelsliberalisierung vor dem aufgezeigten Hintergrund ist unumgänglich.

Was die Zollsenkungen der Schweiz als Land mit hohen Löhnen und Preisen anbelangt, stellt sich ein weiteres Problem. Um die Zölle zu senken, werden als Referenzpreis Weltmarktpreise angenommen, die rein theoretisch sind, da sie mit keinem Qualitätsstandard verbunden sind und an unserer Grenze zu den aus Statistiken entnommenen und behaupteten tiefen Preisen auch gar nicht erhältlich sind. Durch die auf dieser künstlich erhöhten Preisdifferenz errechneten prozentualen Zollreduktion ergibt sich faktisch eine zu starke Reduktion des Zollschutzes für Länder mit hoher Kaufkraft und positiver Handelsbilanz. Das ist der Hintergrund der Rechnungsweise der USA. Das wurde möglich, weil die Schweiz in den früheren GATT-Runden eingewilligt hat, die Landwirtschaft mitzuverhandeln. Heute muss geprüft werden, ob dieser Entscheid sachlich und fachlich richtig war. Denn es steht unter den gegebenen Umständen für die Schweiz der Verzicht auf eine eigene Landwirtschaft in der Logik der angelegten Prämissen. Das muss in unserem Land zusammen mit der Industrie offen diskutiert werden - und zwar ohne dass die Diskussion mit einseitigen Deutungen über die vorhandenen Preisunterschiede eingeschränkt wird.
Doch bleiben wir bei der Frage der Aufhebung der Zölle. Mehr als die Grenzen öffnen und die Zölle aufheben kann der Staat nicht. Und auch unsere Exportwirtschaft kann kaum verlangen, dass unsere Bauern tiefer als zu Weltmarktpreisen produzieren. Würden unsere Bauern jedoch zu Weltmarktpreisen produzieren, dann wären die schweizerischen Lebensmittel ja immer noch teurer als im Ausland.
Damit wird deutlich: der Lösungsvorschlag der AP 2011, nämlich das Preisproblem durch Strukturwandel der Landwirtschaft im Inland zu lösen, ist nicht zielführend. Denn der wirtschaftliche Exporterfolg der Schweiz führt laufend zu höheren Erträgen, höheren Löhnen und folglich auch höheren Preisen. Deswegen ist die Schweiz über die Währungsumrechnungen - eine andere Möglichkeit, um Preise zu vergleichen, gibt es nicht - teurer als das Ausland. Warum soll ausgerechnet die an sich schon durch Topographie und Klima benachteiligte schweizerische Landwirtschaft diesen durch die übrige Wirtschaft verursachten Preisunterschied durch Rationalisierung wettmachen müssen? Und die Anstrengungen der Landwirtschaft, ihre Produkte billiger abzugeben, haben die weitere Verteuerung der Endprodukte in den Verkaufsregalen, wie wir ja jetzt deutlich sehen, trotz AP 2002 nicht verhindert.
Die AP 2011 vertritt diesem Thema gegenüber offensichtlich zwei Meinungen: entweder soll die schweizerische Landwirtschaft ihre Preise senken. Wenn dann jedoch trotzdem höhere Preise bei den Endprodukten der Verarbeitungsindustrie resultieren, dann wird erst das Qualitätsargument mobilisiert und argumentiert, dass auch teurere Produkte abgesetzt werden könnten, wenn sie im oberen Qualitätssegment angesiedelt seien. Zudem wird behauptet, dass, wenn wir in Europa oder auf dem Weltmarkt nur einen geringen Anteil im oberen Kaufkraftsegment erreichen könnten, dies für unsere exportierten Nahrungsmittel schon ausreichend sei. Da muss man sich ja fragen, warum diese Argumentation nicht auch für die bäuerlichen Produzentenpreise im Hinblick auf die hohe Kaufkraft der Schweizer Konsumenten gelten kann? Denn der Rohstoffpreis ist ja wegen dem geringen Anteil am Endpreis gar nicht mehr ausschlaggebend.
Die zweite Antwort der AP 2011 auf die Tatsache, dass unsere Bauern die Produzentenpreise senken mussten, dass dies jedoch nicht an die Konsumenten weitergegeben wurde, lautet folgendermassen: die der schweizerischen Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Stufen müssten nun ebenfalls nachziehen und auch die Kosten senken.
Jedoch stellt sich die Frage, wie soll das geschehen? Die „hohen Kosten“ sind doch die Folge einer starken Währung. Wenn also die übrige Wirtschaft ihre Kosten senken will, dann wird unsere Exportwirtschaft gesamthaft nur noch schlagkräftiger, also erhöht sich im Endeffekt lediglich der Frankenkurs. Die andere Variante, einfach die Löhnen zu senken, geht auch nicht, denn das hiesse doch, die Wirtschaft absichtlich in eine Krise zu stürzen. Wir haben hier in der AP 2011 zwar eine Forderung, dass die vor- und nachgelagerten Stufen die Kosten senken. Aber wir haben keine einigermassen plausible Anleitung, wie man das machen kann.
Somit bleibt ein ungelöstes Problem bestehen, über das nicht gesprochen wird: die Verarbeitungs- und Verteilindustrie hat durch den Abbau des Grenzschutzes ein Problem, das sie nicht lösen kann. Und die Zeit, wo sie die Landwirtschaft vorschieben konnte, ist vorbei. Der Anteil Landwirtschaft und Vorgelagerte an der Nahrungsmittelpreisinsel Schweiz beträgt “nur“ 22%. Und nun behauptet die AP 2011, der schweizerische Nahrungsmittelsektor habe ein Kostensenkungspotenzial. Dabei war doch die Auffassung der AP 2002, die Industrie mache es nun der Landwirtschaft vor, wie man Kosten senke. Daraus wurde nun offensichtlich gar nichts. Vielmehr haben die Bauern ihre Preise gesenkt, während die nachgelagerte Industrie/Verarbeitung entgegen der Forderung der AP 2002 ihre Preise erhöht hat. Hier bedarf es zuerst einer genauen und erschöpfenden Erklärung, warum denn der nachgelagerte Sektor dieses Kostensenkungspotential nicht schon längstens genutzt hat?
Da der Anteil der Produzentenpreise am Endprodukt gering ist, ist auch die Wirkung der Preisreduktion der bäuerlichen Rohstoffe im Vergleich mit dem Preisproblem, das die Nahrungsmittelindustrie mit der Grenzöffnung und der Beseitigung der Grenzschutzmassnahmen bewältigen muss, gering. Anstatt nun einfach zu behaupten, der schweizerische Nahrungsmittelsektor habe noch ein grosses Kostensenkungspotential, muss man von der Preisentwicklung von 1991 bis 2004 ausgehen:


Bericht AP 2011. S.

Und gerade vor dem Hintergrund dieser dramatischen Situation ist es kaum überzeugend, wenn nun die AP 2011 allein die Hoffnung ausspricht, „jetzt müssen auch die Preise in den vor- und nachgelagerten Stufen herunter“. So, als hätten die Bauern, wenn sie die Zähne zusammenbissen und die Reform akzeptierten, dann bereits hinter sich, was auf die Vor- und Nachgelagerten noch zukomme. Aber wie sollen denn in der übrigen Wirtschaft die Kosten gesenkt werden ohne massive Abstriche bei den Löhnen und bei weiteren Leistungen der Versorgung? Überall müsse gespart werden, sagte Bundesrat Deiss. Aber nimmt dadurch die Kaufkraft der schweizerischen Bevölkerung ab oder zu? Wie wirkt sich das in Bezug auf das Umsteigen auf Importprodukte aus?

Bundesrat Deiss stellte die Angelegenheit so dar, dass durch die WTO zuerst die Wirtschaft gute Exportchancen haben müsse, dann verdiene sie Geld und nur so könnten wir uns unsere Landwirtschaft leisten.

Darin steckt nach unserer Einschätzung auch die ganze Unlogik, dass beispielsweise die Überbauung des Bodens einträglicher sei, als ihn zu erhalten. Hier liegen auch die Hauptgründe für die Änderung des Boden- und Raumplanungsrechts.
Bundesrat Deiss hob hervor, dass er einer sei, der den Bauern von Anfang an die Wahrheit sage. Welche Wahrheit? Bezüglich Ursachen und Hintergründe der feststellbaren Ungereimtheiten bei den Preisen besteht ein wesentlicher Erklärungsbedarf, welcher durch die AP 2011 nicht vorgelegt wird.

Die Agrarreform 2002 hat unter dem Stichwort der „Ökologie“ die Landwirtschaft noch weiter von der Produktion weggeführt. Das führte nicht zur anvisierten Stabilisierung. Im Gegenteil, die Agrarreform leitet nun eine immer schnellere Beseitigung der Strukturen ein, die für eine nachhaltige Wirtschaft in der Schweiz notwendig gebraucht würden. Im ganzen Umfeld sinken, wie wir feststellen, jedoch nur die Produzentenpreise der Landwirtschaft.
Die Begründung lautet, dass nur so die Landwirtschaft überleben könne. Die Ungereimtheiten in den oben aufgezeigten Preisentwicklungen, die Bestrebungen, Raumplanung und Bodenrecht wesentlich zu lockern, etc. deutet auf eine grundlegende Änderung, dass nämlich
• die Landwirtschaft gezielt an die Dezimie¬rung herangeführt wird;
• der Übergang zu importierten Rohstoffen bzw. zur Verlagerung der hiesigen Verarbeitungsbetriebe in die Billigbodenländer vorbereitet wird und
• eine Öffnung der Landwirtschaftszone für einen nichtlandwirtschaftlichen Erwerb und die Immobilienwirtschaft für den angestrebten Ersatz sorgen soll.
Es findet dann im Lebensmittelbereich lediglich mit zeitlicher Verzögerung die gleiche Deindustrialisierung statt, welche die übrige Wirtschaft seit längerem kennt: das Geldkapital packt das in unserem Land erarbeitet Know-how und geht damit in ein Billig¬lohnland und produziert dort weiter.
Dort entstehen dann hohe Monopolprofite, die in die alten Industrieländer zurückfliessen und im Immobilienbereich „sicher“ angelegt werden möchten.
Aber das Ganze ist nicht so einfach durchzuführen. Bis der Wert der Verarbeitungsindustrie eigentumsmässig aus den Händen der Landwirte gelöst ist, braucht es Zeit. Ebenfalls verhindern Bodenrecht und Raumplanung die anvisierte beschleunigte Verstädterung der Schweiz. Deshalb sind sie derart ins Zentrum der Reform gestellt.

In diesem Zusammenhang ist zu erklären, warum auf einmal in der AP 2011 Ziele auftauchen, welche das Kostenumfeld der Landwirtschaft vielmehr deutlich erhöhen anstatt senken. Die AP 2011 schwächt nämlich direkt zwei Instrumente, die ausdrücklich dazu geschaffen wurden, die Produktionskosten der eigenen Landwirtschaft tief zu halten. Das heisst, in der Raumplanung und im neuen bäuerlichen Bodenrecht ist der Boden für die Sicherung der Ernährung und als erneuerbare Ressourcengrundlage ganz bewusst von der freien Belehnbarkeit durch Geldkapital ausgenommen worden. Und was macht nun die jetzige Agrarreform 2011, die angeblich die Landwirtschaft stärken will? Sie hebt genau und gezielt diesen Schutz der Ressourcen¬grundlage auf.
Denn im Zusammenhang mit dem obigen Reformkonzept stellt sich immer deutlicher die Frage, wo können wachsende Kapitalverwertungsmöglichkeiten noch gefunden werden, wenn doch die Produktion systema¬tisch ausgelagert wird? Eben nur in der drastischen Ausdehnung des Baulandes. Und deshalb sollen in Raumplanung und Bodenrecht durch die AP 2011 die Bedingungen geschaffen werden, welche später eine Ausdehnung der Bauzonen erleichtern werden. Diese Forderung der AP 2011 macht offensichtlich nur einen Sinn, wenn man die Landwirtschaft letztlich aufgeben will.

Davon sprach Bundesrat Deiss in Ruswil kein Wort. Stattdessen wurde im Zusammenhang mit der Öffnung von Bodenrecht und Raumplanung die Rede nur auf die landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe gelenkt, die in Zukunft ohne Erhöhung der Gewerbegrenze deutlich zunehmen würden. Im Bereich der Raumplanung ist die Öffnung der Landwirtschaftszone für den nichtlandwirtschaftlichen Erwerb von grosser Bedeutung für die Zukunft der Landwirtschaftszone. Die AP 2011 stützt sich auf die vorgeschlagene Öffnung der Landwirtschaftszone für den nichtlandwirtschaftlichen Erwerb für alle Landwirtschaftsbetriebe auf die in Bearbeitung stehende Teilrevision des Raumplanungsgesetzes. Die Vernehmlassungsfrist dazu endigte anfangs August 2005. Das Nutzungsprimat der Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone soll massiv eingeschränkt werden. Das Bäuerliche Bodenrecht und die Raumplanung zu Gunsten der bodenabhängigen Landwirtschaft werden stark eingeschränkt, um die Bedingungen für eine verstärkte Immobilientätigkeit ausserhalb Bauzonen wieder zu erleichtern bzw. neu zu schaffen. Das widerspricht grundlegend der Raumplanung. Seit dem „Fall Galmiz“ ist deutlich geworden, dass der politische Druck auf die Grenze Bauzone/Landwirtschaftszo¬ne deutlich zunimmt.

Was ist also der Kern der AP 2011? Geht es wirklich darum, dass grössere und effizientere Landwirtschaftsbetriebe gefördert werden sollen?

Die Wahrheit ist, dass der internationale Handel den Anspruch stellt und ihn politisch durchsetzt, dass die reichen aber rohstoffarmen Volkswirtschaften wie die Schweiz und einige europäische Länder ihren Bedarfsdeckungswohlstand abtreten und dadurch die Voraussetzungen schaffen für eine global gelenkte Rohstoffwirtschaft. Auch vielen Entwicklungsländern wird nicht erlaubt, eine eigenständige Industrie auf einer eigenen landwirtschaftlichen Basis zu entwickeln. Es ist tatsächlich so, dass die USA gleichzeitg darauf achten ihre Landwirtschaft zu schützen, aber von den anderen Industrieländern verlangen, ihre Ernährungssouveränität abzubauen zugunsten des freien Zuganges der Agrargrossproduzenten und des global agierenden Agrarhandels auf allen Märkten. Auch das sagt Bundesrat Deiss nicht so, sondern er spricht von den armen Entwicklungsländern, die auch eine Chance haben müssten. Dabei ist es doch so, dass der Subsistenzbauer oder der für den einheimischen Markt produzierende Kleinbauer in den Entwicklungsländern gar nie für den Export produziert sondern umgekehrt, dass der Subsistenzbauer froh um Schutzzölle wäre gegen die USA und ihre Art des drückenden Preisdumpings. Aber das verbieten Weltbank und IMF den überverschuldeten Entwicklungsländern. Die USA verbilligen ihre Exporte, um die bäuerlichen Produzenten zu vernichten und um dann anschliessend, so wie in Südamerika, Australien etc. mittels neokolonialer Grossproduktion, die dann für den Export produziert, in diese Länder eindringen zu können. Die Forderung von Bundesrat Deiss, die schweizerische Landwirtschaft müsse zu Gunsten der Entwicklungsländer Konzessionen machen, hält einer genauen Abklärung der Verhältnisse in den Entwicklungsländern nicht stand.

Anstatt in unserem Land, den Bauern und den Konsumenten mit guten Ideen, die vorhanden sind, zu helfen und sich gegenseitig zu unterstützen, damit wir von der von aussen durch Übermacht erzwungenen Grenzöffnung des Staates nichts mehr zu befürchten hätten, zerstört unser Bundesrat mit dieser AP 2011 diese Chance. Zudem verpasst er es, zur Verbreitung der kreativen Ansätze in unserem Land eine internationale Diskussion um den wirtschaftlichen und kulturellen Ausgleich in Gang zu setzen - und man hat den beklemmenden Eindruck, dass dieser Bundesrat auch mit unserem Land und unseren Leuten eigentlich gar nichts mehr anzufangen weiss.









B. Zur Vorlage in einzelnen ausgewählten Punkten

Zur Begründung, zu den Denkansätzen

Die Vernehmlassungsvorlage „AP 2011“ stellt sich selbst in die Reihe der seit 12 Jahren laufenden sogenannten Agrarreform. Dabei tritt nun in der AP 2011 eine Verschiebung in der Argumentation auf, warum die Landwirtschaft bedenkenlos der von den neoliberalen Marktreformkräften geforderten Preiskonkurrenz ausgesetzt werden könne. Begründete die AP 2002 die Reduktion der inländischen landwirtschaftlichen Wertschöpfung mit dem Hinweis, dies bringe mehr „Ökologie“, so verlagert sich die Begründungsargumentation nun immer deutlicher in die Richtung notwendiger Einsparungsmöglichkeiten im Portemonnaie des Konsumenten.
Der Vernehmlassungsbericht AP 2011 hängt immer noch der Darstellung an, dass nach dem Fall der Berliner Mauer die politischen und ökonomischen Konflikte abgenommen hätten, die Versorgung durch eine eigene Landwirtschaft an Bedeutung verloren habe.
Mochte man in den 90er Jahren solchen Geschichtsdeutungen noch folgen, - die SVIL hat sich stets gegen solche Vereinfachungen in Bezug auf die Notwendigkeit einer eigenen Landwirtschaft gewandt - so ist heute deutlich, dass gerade diese Verheissungen, auf die sich auch AP 2011 beruft, sich überlebt haben. Es ist gerade heute wieder deutlicher erkennbar, dass wir unsere eigene Ernährungsgrundlage erhalten müssen. Der Fall der Berliner Mauer rechtfertigt in keiner Weise den Verzicht auf eine eigene Ernährungsgrundlage.

„Der Verfassungsauftrag an den Bund in Art. 104 BV geht davon aus, dass die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz ohne Schutz und Stützung gefährdet ist. Gründe dafür sind die teilweise nachteiligen topografischen und klimatischen Verhältnisse und das im internationalen Vergleich hohe Kostenumfeld.“ Bericht S. 5
Diese Analyse der Ursache ist so nicht zutreffend. Zwar liegt ein ähnlich formulierter Verfassungsauftrag vor. Jedoch bildet die Landwirtschaft völlig unabhängig von all diesen Erwägungen jene Existenzgrundlage, welche die Menschen ja aus ihrem Lebensraum heraus betreiben müssen. Wir können nicht soweit gehen zu sagen, die Wahl der Lebensorte der Menschen sei rein eine Funktion des Klimas. Hier spielen Gedankengänge hinein, welche die Menschen bereits nach marktwirtschaftlichen und Effizienzgrundsätzen rein vom Markt her bestimmen möchten. So kann man die Dinge nicht erklären, ohne immer grössere Missverständnisse auszulösen. Gerade die Landwirtschaft befähigt ja die Menschen unter ganz unterschiedlichen natürlichen Voraussetzungen ihre Existenzgrundlage zu erzeugen.
„Die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus der Nähe ist ein ausgesprochenes Bedürfnis der Menschen. Deshalb stützen die meisten entwickelten Länder die inländische Produktion und nutzen so ihre landwirtschaftlichen Potenziale. Obschon aus einer weiteren Arbeitsteilung Wohlfahrtsgewinne resultieren würden, erachten sie die Erhaltung einer eigenen Grundversorgung als notwendig.“ Bericht S. 6
Der erste Satz ist richtig, obwohl in der AP 2011 keine Ansätze sichtbar sind, daraus auch etwas zu machen. Der zweite Satz ist falsch und beruht auf einem Irrtum: Würden die Menschen aus unterschiedlichen klimatischen und natürlichen Voraussetzungen ihre Existenzgrundlage nicht schaffen können, sondern sich auf Gebiete mit grösster natürlicher Fruchtbarkeit beschränken, dann wäre eben absolut viel weniger Wohlstand vorhanden und zu verteilen. Wenn die Versorgungssicherheit aus der Region und die Einsicht der notwendigen Existenzgrundlage an sich als Teil eines rationalen Verhaltens erkannt sind, dann ist es unumgänglich, dass die Preise der Produkte mit der jeweiligen Kaufkraft der Konsumenten im Zusammenhang stehen. Es ist sicher so, dass diese Übersicht die Menschen nicht ständig vor Augen haben, aber ihre Politik hat die Aufgabe, solche Zusammenhänge zu zeigen und daraus etwas zu machen und nicht Aussagen internationaler Handelshäuser aufzugreifen, die in der Konsequenz den Siedlungsstandort Schweiz ökonomisch als suboptimal in Frage stellen. Die Konsequenz wäre dann ja, dass die Schweiz ihre Ernährung aus günstigen Klimazonen beziehen würde. Und wie würde sie das bezahlen? Indem sie ständig Produkte und intelligente Erfindungen ohne Unterbruch dorthin liefern müsste. Das ist nicht nur ökonomisch nicht rational und hat mit der von Adam Smith vertretenen Arbeitsteilung wenig zu tun, es ist auch vom kulturell-humanistischen Standpunkt aus völlig absurd.
In dieser Hinsicht ist es von grösster Bedeutung, welche Denkansätze dem vorliegenden Vorschlag zu Grunde liegen.
War es bei der AP 2002 noch notwendig, auf den Zusammenhang von Rationalisierung in der Landwirtschaft und Lebensmittel- und Umweltqualität einzutreten, so ist festzustellen, dass sich in der AP 2011 das ökologische Argument in Bezug auf den weiteren Strukturwandel in der Landwirtschaft auf die „Erhaltung der schönen Kulturlandschaft“ zurückgebildet hat. In Bezug auf die Vergangenheit wird die bereits erreichte ökonomische Extensivierung der Landwirtschaft einseitig als „ökologischer“ Erfolg der bisherigen Agrarreform hingestellt.
Wenn jedoch Hilfsstoffe eingespart wurden, so wegen der bereits laufenden Rückbildung der Produktion in der Landwirtschaft. Wenn im Pflegebereich gewisse Resultate erreicht werden, so nur, weil die ökologischen Auflagen an Direktzahlungen gebunden wurden, die den ausgelösten Aufwand nicht decken und zu einer Belastung der Betriebe geworden sind, die in den nächsten Jahren der verlangten Effizienzsteigerung entgegenstehen. Von einer Lösung des Problems im Sinne einer nachhaltigen Perspektive für eine ökologische Landwirtschaft kann bei diesen kurzfristigen, für den politischen Budgetprozess zurechtgemachten Arrangements keine Rede sein. Hauptmotive bleiben auch bei der AP 2011 hinsichtlich „Ökologie“ lediglich die Loslösung der Landwirtschaft von den Preisen und ein Herunterfahren der landwirtschaftlichen Produktion mit „ökologischen Argumenten“.
Im Übrigen verbuscht - um nur ein repräsentatives Beispiel herauszugreifen - das Unterengadin erst seit Einführung der Direktzahlungen als klassische alpine Ackerbaulandschaft wie einst das Bedrettotal.
Damit ist das Kapitel Ökologie in der AP 2011 zur Hauptsache abgeschlossen. Mehr wird nicht mehr geboten. Die Verlautbarungen zum Umgang mit der Gentechnik in der Landwirtschaft haben hier eindeutig ein Abrücken von den noch in der AP 2002 geäusserten Zielen gezeigt. Es scheint, dass hier nach Beendigung der heiklen Phase, nämlich Preise und Einkommen zu trennen, das „ökologische Argument“ seine Schuldigkeit getan hat und deswegen gar nicht mehr weiter verfolgt wird. Der Prozess der Aufhebung des Schutzes einer eigenen Landwirtschaft ist in Gang gesetzt. Dieses Vorgehen ist mit einem nachhaltigen Umgang mit unseren nicht erneuerbaren Ressourcen völlig unvereinbar. Die AP 2011 unterlässt es, diesen Konflikt klar aufzuzeigen. Dies muss unbedingt nachgeholt werden.

Hat man sich einmal auf die Ebene der alleinigen Preiskonkurrenz begeben - und die Voraussetzungen dazu wurden leider mit der AP 2002 geschaffen - stehen nun die unvermeidlichen Reformpendenzen ins Haus: die Marktstützungen, die in der AP 2002 ausgebaut wurden, um die nichttarifären Schutzmechanismen in Geld- und Preisstützungen auszudrücken, sollen nun abgebaut werden, da diese Form der Stützung eben doch der WTO widerspricht. „Durch eine verstärkte Wettbewerbspolitik sollen der Nutzen für die Konsumenten sichergestellt und die Preisdifferenzen auf der Kostenseite reduziert werden.“ Bericht, S. 11.
Damit die Landwirtschaft dieser verschärften Konkurrenz auf der Absatzseite der Konsumentenpreise folgen könne, werden folgende Massnahmen getroffen bzw. folgende Möglichkeiten der Kostenreduktion eingesetzt:
o Verbilligung des Futtermittelimportes und dadurch Reduktion des einheimischen Ackerbaus.
o Straffung (sprich Einsparungen bei) der Absatzförderung.
o Förderung einer gezielten Wettbewerbspolitik in den vor- und nachgelagerten Stufen.

Zwei Haupteinwände gegen diese Politik:
1. Der Erfolg dieser Vorschläge ist völlig ungewiss. Zuerst müsste von Seiten der Reform klar verständlich gemacht werden, warum die bisherige Politik des Abbaus der bäuerlichen Produzentenpreise nicht zu einer Belebung der Absatzmärkte geführt hat, sondern im Gegenteil der Preis der Endprodukte sogar angestiegen ist.
Bevor in der AP 2011 weitere Pläne und Strategien vorgeschlagen werden, wie unter der Annahme, dass in den vor- und nachgelagerten Branchen die Preise gesenkt werden können, der Absatz vor allem im Export gesteigert werden könne, ist eine nüchterne und sachliche Analyse der bisherigen Erfahrungen notwendig.
Dieser Reform der Ankündigungen, die dann doch nicht eintreten, kann so nicht weiter gefolgt werden.

2. Wenn tatsächlich die Anstrengungen, die Preise in der Landwirtschaft so tief wie möglich zu halten, die Hauptstossrichtung der AP 2011 darstellt, um die Exportfähigkeit zu verbessern, dann sind die Vorschläge zur Aufhebung des öffentlich-rechtlichen Schutzes und zur Anhebung der Belehnungsgrenze, sowie zur Erleichterung nichtlandwirtschaftlicher Nutzungen (Gewerbe, zusätzliches Wohnen) in der Landwirtschaftszone, um angeblich die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft zu stärken, unverständlich bis geradezu rätselhaft.

Die Umlagerung der Marktstützungen zu den Direktzahlungen folgt daraus, dass Marktstützungen nicht WTO-konform sind. Das war schon zum Zeitpunkt, als die AP 2002 konzipiert wurde, bekannt. Diese Marktstützungen waren schon damals nicht WTO-konform. Deswegen hätte bereits zum Zeitpunkt der Konzeption der AP 2002 dieses „Endszenarium“ diskutiert werden müssen. Das wurde damals unterlassen, weil es als nicht opportun erschien, sich über die Grundfrage der Preis- und Kostendifferenzen zwischen einem sehr wertschöpfungskräftigen Land wie der Schweiz und den von der OECD immer wieder angeführten Weltmarktpreisen Gedanken zu machen und klar zu werden. Indem man diese Thematik „in Raten“ präsentiert, wurde eine Grundsatzdiskussion, ob das Handelskonzept der WTO überhaupt so realisierbar ist, geschickt vermieden.

Denn es ist ein Unterschied, ob unter dem unverfälschten und nicht „regulierten“ Druck des internatonal/global agierenden Handelskapitals hier in der Schweiz Produzenten und Konsumenten aus eigener Erkenntnis kreative Lösungen erarbeiten oder ob die eigene Regierung „Mehr Wettbewerb auf dem Binnenmarkt“ verlangt und dies durch eine reine Preisangleichung an Länder und Zonen, die eine weit geringere wirtschaftliche Wertschöpfung haben, durchzusetzen versucht. Dieses Vorgehen nutzt die Möglichkeiten nicht, dass Produzenten und Konsumenten wissen worum es geht und eigene Lösungen finden können. Gerade in Bezug auf die letztere Frage ist deutlich, dass der Bundesrat eigentlich gar nicht mehr weiss, warum es eine eigene Landwirtschaft braucht.

Wir verlangen deshalb, dass die technische Anpassungsdiskussion an die WTO von nun an klar getrennt von der Agrarreformdiskussion geführt wird. Dabei ist bei den WTO-Verhandlungen bewusst eine Strategie zu wählen, die pragmatisch auf das Verhalten der anderen Länder abzustimmen ist. Es kann nicht weiter angehen, dass sich die USA alle Optionen der nicht nachprüfbaren Förderung der eigenen Landwirtschaft vorbehalten, während die Schweiz gezwungen wird, den ganzen Importschutz inklusive der Deklarationspflicht betreffend Hormone, Antibiotika und GVO aufzuheben! Es kann auch nicht länger angehen, dass die WTO-Unterhändler der Schweiz sich in die Art und Weise, wie die Konsumenten und die Bauern in der Schweiz ihr Verhältnis im Inland gestalten wollen, Kraft ihres Verhandlungsmandates einmischen.
Wenn die schweizerische Landwirtschaft und die schweizerischen Konsumenten gemeinsam eine Lösung finden, dann sind staatliche Lösungen davon nicht betroffen!
Die Diskussion um den Binnenmarkt und die Landwirtschaft ist als eine eigenständige politische und ökonomische Diskussion zu führen, die nicht wie bisher, wenn die wesentlichen Inhalte zur Klärung anstanden, mit dem Hinweis auf „ von aussen vorgegebene“ Forderungen unterlaufen werden dürfen.

Die Handelsliberalisierung und die AP 2011 gilt, wie sie selbst sagt „Unter der Voraussetzung, dass die Preisrückgänge an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben [werden und somit] volkswirtschaftlich vorteilhaft“ ist. Bericht S. 12. Das Problem ist jedoch, dass diese Voraussetzung völlig in der Luft hängt. Es muss deshalb geklärt werden, ob diese Voraussetzung auch umgesetzt werden kann.





Zu den konkreten Gesetzesänderungen

Zu den Inhalten des Landwirtschaftsgesetzes

Zum Preisproblem


Entwicklung der Ausgaben für einen Standardwarenkorb in der Schweiz und in der EU, Bericht S. 10

Der Bericht hält fest, dass die schweizerischen landwirtschaftlichen „Produzentenpreise ... zwischen 1990/92 und 2003 um 24 Prozent gesunken“ sind. ... „Im Gegensatz dazu stiegen die Konsumentenpreise in der Schweiz um 11 Prozent. Eine starke Zunahme ist insbesondere ab 1999 feststellbar. Dies obwohl die Preise für importierte Nahrungsmittel seither stagnierten...“

Bei den Konsumentenpreisen ist der Abstand zur EU zwischen 1990/92 und 2001/03 grösser geworden. Betrug die relative Preisdifferenz 1990/92 noch 31 Prozent, ist sie im Durchschnitt der Jahre 2001/03 auf 38 Prozent angewachsen. Absolut wuchs der Preisabstand um 25 Prozent (Abbildung 6)“. Bericht S. 14/15

Hier muss grundsätzlich festgestellt werden, dass die Preisdiskussion nicht allein auf diese vereinfachte Diskussion reduziert werden darf. Es muss zuerst einmal erklärt werden, warum das Kosten-, Preis- und Lohnniveau in der Schweiz höher liegt als im europäischen Ausland? Ist dies eine Folge der wirtschaftlichen Effizienz oder eine Folge der Ineffizienz? Ist es die Folge zunehmender Formen der Wertschöpfung durch vermehrte Umtriebe, weil in einem Land mit einem hohen Konsumniveau auf eine andere Weise als durch vermehrte Umtriebe die Leute gar nicht mehr zu Einkommen gelangen können?
Im Bericht wird das steigende Preisniveau mit zunehmenden „unproduktiven Umtrieben“ erklärt und es wird der Eindruck erweckt, diese Ursachen weiterer Preiserhöhungen seien praktisch einmalig gewesen und für die Zukunft nicht mehr wirksam.
Im Bericht wird deshalb ausgeführt: „Zu dieser Entwicklung haben die Einführung der LSVA, der Gebühr für die Entsorgung tierischer Nebenprodukte und der Deklarationspflicht sowie ein Ausbau bei der Rückverfolgbarkeit der Nahrungsmittel beigetragen.“
Man wünschte sich, dass der Bundesrat mit der gleichen Sorgfalt die Produzentenpreise der schweizerischen Landwirtschaft den Konsumenten erläutern und rechtfertigen würde, wie er dies zu Gunsten der hohen Preise der vor- und nachgelagerten Bereiche tut. Zum Beispiel wäre es sehr nützlich zu zeigen, wie hoch der Anteil des Preis- und Regulierungs-/Vorschriftenumfeldes am Produzentenpreis der Schweizer Landwirtschaft ist? Ebenso wäre es sinnvoll zu zeigen, dass gemessen an der Kaufkraft, die schweizerische Landwirtschaft am billigsten produziert - verglichen mit den umliegenden Ländern. Wenn die Preissituation bzw. die hohen Preise der Vor- und Nachgelagerten im Bericht vom Bundesrat verständlich gemacht werden, so könnte man eigentlich erwarten, dass auch mehr Sorgfalt und mehr Mittel darauf verwendet werden, die Preissituation im Bereich der landwirtschaftlichen Produkte den Konsumenten verständlich zu machen.


Die Darstellung der finanziellen Situation der Landwirtschaft selbst befriedigt ebenfalls nicht, da z.B. die Ertragssituation inklusive Paralandwirtschaft dargestellt wird. Dabei hätte interessiert, wie das Kostenumfeld sich direkt auf die Kosten und Erträge der Lebensmittelproduktionskosten der Schweizer Landwirtschaft auswirkt.
Denn wenn es so ist, dass eine Angleichung der schweizerischen Produzentenpreise an die EU den Konsumentenpreis nur um 10% reduziert, dann stellt sich die Frage, ob sich das lohnt....
Siehe Bericht, S. 22: „Die Preisdifferenzen zur EU stellen für die wirtschaftliche Nachhaltigkeit ein Risiko dar. Bei einer zunehmenden Öffnung der Grenzen für landwirtschaftliche Rohstoffe und damit einhergehend tieferen Produktepreisen sind die Bäuerinnen und Bauern darauf angewiesen, dass auch die Preise für die eingesetzten Produktionsmittel sich dem ausländischen Niveau anpassen. Heute zahlt die Landwirtschaft im Vergleich zur EU wesentlich höhere Produktionsmittel- und Faktorpreise (vgl. Ziff. 7.1.2). In der EU sind auch die Konsumentenpreise um 38 Prozent tiefer als in der Schweiz. Da der Anteil inländischer Rohstoffe nur rund 20 Prozent der Konsumentenausgaben für Nahrungsmittel ausmacht, würden die Konsumentenpreise bei einem Rückgang der Produzentenpreise auf das EU-Niveau um nur etwa 10 Prozent sinken. Für eine Anpassung der Konsumentenpreise müssten die nachgelagerten Stufen ihre Wettbewerbsfähigkeit ebenso stark verbessern wie die Landwirtschaft selbst.“

Bericht S. 15:
Gehen wir zurück auf die Aussage des Berichtes, dass die Preisdifferenz zwischen der Schweiz und der EU-Westeuropa von 31% 1990/92 bis 2001/3 auf 38% zugenommen hat. Was heisst das nun für die Schweiz und ihre Wirtschaft?
Dieser Vergleich bestätigt jedoch lediglich, was auch innerhalb der EU im Gange ist, nämlich, dass die Einkommens- und Preisunterschiede zwischen den verstädterten Zentren und dem Landesdurchschnitt grosser Länder immer grösser werden. Damit wird jedoch die Landwirtschaft, die sich in den Zonen mit gestiegener Kaufkraft befindet, nicht automatisch ineffizienter bzw. anpassungsbedürftiger in Bezug auf den Strukturwandel. Deshalb kann daraus nicht - wie das der Bericht tut - abgeleitet werden, es bestünde spezifisch für die schweizerische Landwirtschaft Handlungsbedarf in dem Sinne der Senkung der Produktionskosten, der Erhöhung der Effizienz und des Strukturwandels. Vielmehr ist die Frage zu stellen, ob es gelingt, in der verstädterten Schweiz, wie überall in den Verdichtungszonen Westeuropas eine eigene Landwirtschaft weiterzuführen? Wenn nur in kurzfristigen Preisvergleichen gedacht wird, müsste man diesen Anspruch fallen lassen. Das muss für die Schweiz in diesem Zusammenhang erörtert werden.
Denn es ist durchaus ein dramatischer Vorgang, dass auf Ebene der Konsumentenpreise die Schweiz teurer wird, während im gleichen Zeitraum die schweizerische Landwirtschaft mit ihren Produzentenpreisen näher an die Produzentenpreise der EU-Bauern herangerückt ist. Hier werfen wir deshalb die Frage auf, ob diese Feststellung ein Indiz dafür ist, dass man allein auf dem Buckel der Landwirtschaft dieses Problem zu lösen versuchte, das eigentlich so gar nicht gelöst werden kann? Wenn man aber dennoch dies allein auf dem Buckel der Landwirtschaft durchgeführt hat, so folgt sofort die Frage, ob das mit weitergehenden Absichten verbunden war, die in der Lösung der Landwirtschaft von der Bodenabhängigkeit, in der Öffnung der Grenze Bauzonen/Landwirtschaftszone und in der deutlichen Schwächung des Bäuerlichen Bodenrechts ihre Fortsetzung finden?
Die Produzentenpreise sind in der Schweiz nämlich wie bereits erwähnt zwischen 1990/92 und 2003 um 24 Prozent gesunken. Dies betrifft insbesondere die Milch und verschiedene Ackerprodukte. Rund die Hälfte des Rückgangs ist auf die Reduktion der Preisstützungsausgaben des Bundes zurückzuführen. Bericht, S. 12.
Vergleicht man die Preisentwicklung in der Schweiz und in der EU für einen Standardwarenkorb, so kann man feststellen, dass seit 1990/92 der Rückgang der Produzentenpreise in der Schweiz (-24%) grösser war als in der EU (-20%). Der relative Abstand hat sich deshalb in diesem Zeitraum von 49 auf 46 Prozent verringert.





In absoluten Zahlen ausgedrückt sind die Schweizer Produzentenpreise beachtenswert stark an diejenigen der EU herangerückt. So betrug die Differenz beim Milchpreis 1992 rund 50 Rappen pro Kilogramm Milch, heute ist sie noch 30 Rappen (-40%). Im Durchschnitt hat die absolute Preisdifferenz um 28 Prozent abgenommen. Bericht, S. 13.
Und dennoch: auf Ebene der Konsumentenpreise findet gerade die gegenteilige Entwicklung statt.
Die AP 2011 ignoriert die Ursachen dieser Entwicklung und erklärt diesen doch sehr erstaunlichen Vorgang lediglich mit eher akzidentiellen Vorgängen wie der Einführung der LSVA.
Anstatt hier eine klare Preisanalyse vorzulegen, welche auch die Chancen, mit Preisreduktionen zum Erfolg zu kommen, aufzeigen würde, flüchtet die AP 2011 in die wenig verbindliche Politik der Ankündigung und verlangt, dass nun die der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Branchen ihre Preise senken müssten. Dies wird jedoch nur um den Preis einer Wirtschaftskrise bzw. um den Preis der Schädigung der Binnenwirtschaft zu haben sein. Hier stellt sich die Frage, wem diese Reform letztlich nützt?
Wenn der Reformgrund allein darin gesehen wird, dass die Preise der schweizerischen Landwirtschaft wegen der Differenz zu anderen Ländern gesenkt werden müssen, dann trifft dieses Argument der Preisdifferenz erst recht auf der Ebene der Konsumentenpreise zu. Mit anderen Worten, wenn auf Ebene der Konsumentenpreise keine Verbilligung erreicht wird, dann ist es unverantwortlich, wenn unbesehen dieser Situation der Umstand der staatlichen Administration der Landwirtschaft dazu missbraucht wird, allein bei den bäuerlichen Produzenten eine Senkung der Preise zu erzwingen. Weil die Ernährungswirtschaft nur ihre einzelbetriebliche Situation sieht und nicht in gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Zusammenhängen denkt, kommt es dazu, dass die Lage der Bauern, ihre Abhängigkeit von der Administration des Staates zu Extra-Preiszugeständnissen ausgenutzt wird.
Zudem findet die notwendige Reformdiskussion über die Ursachen dieser generellen Preisdifferenzen nicht statt.
Dass diese Preisdifferenzen nicht an der geringeren Effizienz der schweizerischen Volkswirtschaft und der Schweizer Bauern im Speziellen liegen können, zeigt der Vergleich zwischen der schweizerischen Milchproduktion mit Polen.

Quelle: SVIL 2005

Der polnische Milchpreis ist gemessen an seinem Umfeld wie Löhnen und Pachtzinsen dreimal teurer als der schweizerische Milchpreis. Der polnische Milchpreis ist aufgrund des Wechselkurses Franken-Zloty nur „billiger“, weil die polnische Volkswirtschaft sehr rückständig ist und folglich wegen der fehlenden Kaufkraft die polnische Währung sehr tief bewertet wird.
In der offiziellen Agrarreformdiskussion wird die Sache nun so dargestellt, als sei die schweizerische Landwirtschaft zu teuer und als müsse die schweizerische Milchproduktion wegen der billigen polnischen Milch konkurrenzfähiger werden. Also rationalisieren unsere Bauern und werden dabei noch effizienter, als sie schon sind. Doch das Resultat solcher Anstrengungen mit der Gesamtwirkung in den vor- und nachgelagerten Bereichen und der so weiter gesteigerten Effizienz führt lediglich dazu, dass der Frankenkurs gegenüber dem Zloty noch stärker bewertet wird. Somit stellt dann die nachfolgende Währungskursänderung die ursprüngliche Preisdifferenz wieder her. Hier liegt auch die Erklärung, warum die Konsumentenpreise der Schweiz gegenüber der EU so hoch sind. Es ist eine Frage der Währungskurse und diese steht wiederum in Funktion mit der wirtschaftlichen Effizienz.
Gerade weil diese Zusammenhänge übergangen und ausgeblendet werden, herrscht heute Konsens, es handle sich hier allein um Hausaufgaben, welche die Landwirtschaft zu erledigen habe.
Beraterintern wird das Thema allein anhand der Skalenökonomie abgehandelt. Dadurch wird der Eindruck verfestigt, die Ursache der im Rahmen der internationalen Konkurrenz unterschiedlichen Preise sei ein Problem der unterschiedlichen Rationalisierungsstandards. Doch das ist es nicht. Das eigentliche Problem ist, dass die international unterschiedlichen Preise mit dem Mittel der Rationalisierung ausgeglichen werden sollen. Doch das heisst, dass in der wohlhabenden Schweiz die Bauern eigentlich im Vergleich mit allen anderen ärmeren Ländern am meisten rationalisieren müssten, um mit der Agrarkonkurrenz aus ärmeren Ländern mitziehen zu können. Das heisst letztlich, unsere Konsumenten können aus diesen Gründen eine Frischmilch wie in Polen gar nicht mehr geniessen. Das kann nicht der Sinn der WTO sein.
Denn um einen Vergleich im ökonomischen Sinne zu machen, müsste gefragt werden, wie viele Menschen aus dem gleichen Währungsraum ein Bauer ernährt. Ernährt ein Bauer eines Landes A weniger Menschen als ein Bauer aus dem Lande B, so wäre es ungerecht, wenn der Bauer aus dem Lande A den Bauern aus dem Lande B aufgrund der herrschenden Währungsrelationen ohne Korrekturmechanismen konkurrenzieren darf. Denn es darf nicht sein, dass der wirtschaftlich weniger effiziente Marktteilnehmer Marktvorteile gegenüber dem effizienteren Konkurrenten beanspruchen darf. Denn der Marktvorteil ergibt sich für die Landwirtschaft aus dem Lande A ja erst durch ein Währungsverhältnis, welches sich aus der höheren Kaufkraft des Landes B ergibt und nun die Lebensmittel aus dem Lande A künstlich verbilligt. Wird keine Korrektur der Währungsdifferenz eingeführt, so bezahlt der Konsument aus dem ärmeren Land A in der Folge mehr für seine Lebensmittel, die dann importiert werden müssen, während ein Teil der aus dem Lande A exportierten Lebensmittel im Lande B unverhältnismässig viel billiger ist. Zu diesem Problem sollte in der WTO eine faire Diskussion geführt werden können.

Das würde auch das Problem lösen, welches Herr Ramsauer kürzlich aufgeworfen hat, dass es nämlich schwierig sei, dem indischen Partner zu erläutern, warum die Senkung der Industriezölle unter 50% gut sei, wenn die Schweiz doch Agrarzölle von mehreren hundert Prozent habe. Zweifellos braucht es Ideen und Vorschläge, wie dieses Problem gelöst werden kann. Wir sind auch überzeugt, dass mit diesen alten Kulturländern, welche die Zeit der kolonialen Unterwerfung durch Grossbritannien noch in bester Erinnerung haben, diesbezüglich sehr fruchtbare Gespräche geführt und tragfähige Lösungen gefunden werden können. Denn ebenso evident ist, dass die Landwirte in der Schweiz diese zollgeschützten Preisunterschiede in den genannten Grössen nicht mit der Rationalisierung lösen können. Da ist die Skalenökonomie kein Mittel. Sie ist aber auch vorwiegend aus Qualitätsgründen der Lebensmittel dort nicht mehr empfehlenswert, wo die schweizerischen Erzeugerpreise weniger stark von den europäischen oder weltmarktlichen Referenzpreisen abweichen. Denn wie gesagt, die Preisunterschiede, so wie sie uns im Ernährungssektor beschäftigen, sind nicht eine Funktion des Rationalisierungsgrades in der Landwirtschaft, sondern sie sind eben auch und sehr stark eine Funktion der Währungsunterschiede.

Dass die schweizerische Exportwirtschaft das seit Jahrzehnten entstandene hohe Kostenniveau der Schweiz gegenüber dem Ausland nicht mehr als Folge des Exporterfolges und des Handelsbilanzüberschusses erkennt, sondern einzig und allein in der Auseinandersetzung um Marktzutritt nun die eigene Landwirtschaft als Problem wahrnimmt und ihr vorwirft, sie sei zu teuer, zeigt, dass diese Mechanismen, welche die internationalen Preisvergleiche bestimmen, nicht mehr erkannt werden. Das kommt daher, weil in der WTO nur über Handelszutritt und Handelschancen, jedoch interessenbedingt nicht über die volkswirtschaftliche Wertschöpfung gesprochen wird.

Der Standpunkt des Handelskapitals dominiert über den Standpunkt der Produktion und der Wertschöpfung. Folgt man dieser Sicht, so ist die Landwirtschaft in der Schweiz letztlich „zu teuer“, und deshalb wird dann rein aus der Interessenlage des Investors heraus bezüglich Raumplanung und Bodenrecht umso direkter ihre Auflösung zu Gunsten der Immobilienwirtschaft und der Kreditschöpfung betrieben.
Dabei ist doch die Preisrelation Produzentenpreise - Konsumenteneinkommen innerhalb der Staaten wichtiger als zwischen den Staaten. Eine Preissenkung der CH-Bauern gegenüber den EU-Bauern, während die CH-Konsumentenpreise gegenüber den EU-Konsumentenpreisen gegenläufig zunehmen und wegen der Fremdbestimmung der Währungskurse auch nicht gesenkt werden können, ist eindeutig suboptimal. Denn es ist ja nicht so, dass die Konsumenten - wie auch immer - direkt die Rohstoffe der Bauern aufkaufen. Also verlieren die CH-Bauern durch unsere Agrarreform ohne Not Anteile an der Kaufkraft der CH-Konsumenten. Gerade auch aus diesen Gründen ist eine Standortbestimmung der laufenden Agrarreform und deren bisheriger Ergebnisse unerlässlich. Werden nur Konsumentenpreise verglichen, so lässt sich dieser Zusammenhang eben nicht erkennen.

Damit ist die Zusammenarbeit zwischen Produktion und Verarbeitung angesprochen. Aus Sicht der Verarbeiter erhöhen tiefe Produzentenpreise die Absatzmenge. Kann die Absatzmenge gehalten werden, behalten die Bauern ihr Einkommen. Diese Sicht der Dinge hat bisher auch das Verhältnis zwischen den Produzenten und den (industriellen) Verarbeitern geprägt. Durch den unterschiedlichen Organisationsgrad der Marktteilnehmer wird das Preisproblem, wie die oben erwähnten Zahlen deutlich belegen, nur in einer Richtung zu Lasten des Produzenten gelöst. Diese Entwicklung endet dort, wo die Produktion letztlich zusammenbricht. Damit es jedoch nicht soweit kommt, müssen die Produzenten mit einer grösseren Marktmacht versehen werden, so dass sie in die Lage kommen, zu verhindern, dass nur die Produzentenpreise sinken, während die Endpreise der Lebensmittel zunehmen. Die SVIL schlägt dazu die Bildung eines gesamt-schweizerischen Produzentenpools vor.
-Zum Service-Pool, „Der Service-Pool, ein Instrument zur Überwindung der Krise im Ernährungssektor“, PDF-Dokument zum Herunterladen)

Die Unterstützung der Branchen in den Herkunftsbezeichnungen genügt diesbezüglich nicht, da dies nur eine Vermarktungshilfe an die Verarbeiter umfasst. Die Frage ist, ob die Hilfe an die Verarbeiter das richtige Signal ist? Denn die Verarbeiter gestalten den Absatz an ihre Kundschaft nach eigenen Kriterien der Austauschbarkeit des Rohstoffes. Viel wichtiger sind finanzielle Starthilfen, damit die Produzenten sich organisieren können. Im Milchsektor ist die heute vorhandene Vielzahl von PO und PMO nicht sinnvoll bzw. eine verpasste Chance. Die Produzenten allein sind zu schwach, um den Konsumenten den Wert des Frischproduktes erklären zu können. Die Verarbeitungsindustrien sind inzwischen durch ein Aktionariat beherrscht, das die Kapitalrendite maximiert und nicht an der Optimierung von binnenwirtschaftlichen Versorgungsstrukturen interessiert ist. Ziel einer zukunftsgerichteten Agrarpolitik muss es sein, die interne Versorgungsqualität zu verbessern und auf der Kapitalseite die Refinanzierbarkeit zu gewährleisten. Die Reform kann nicht zum Ziel haben, der Bevölkerung beliebt zu machen, es gehe auch mit schlechteren Werten, - die WTO wolle es so.

Der Ersatz der Verarbeitungsbeihilfen durch Direktzahlungen verbilligt in Tat und Wahrheit nochmals den Milchpreis und führt mit einer erhöhten Direktzahlung die Bauern noch mehr von den Preisen und von den Konsumenten weg. Dies ereignet sich in einer Situation, wo - notabene - bereits wieder die Senkung der Direktzahlungen bei gewissen Kreisen ausgesprochen wird.
Das Konzept, die Preisfrage einfach mit Direktzahlungen zu ersetzen, ohne sich Gedanken über die Volkswirtschaft und die Notwendigkeit wahrer Preise zu machen, führt nicht mehr weiter. Anstatt nur einen „Milchkuhbeitrag“ zu „erfinden“ hätte man doch zusätzlich Überlegungen prüfen sollen, wie denn den Konsumenten ein - der Qualität angemessener - Milchpreis erläutert werden kann.


Zur kommerziellen Tätigkeit der Forschungsanstalten
Die Vorgabe für kommerzielle Tätigkeit der Forschungsanstalten darf nicht zu quersubventionierten Dienstleistungen führen. Jeder Versuch in diese Richtung wäre kontraproduktiv!


Fragwürdiger Umgang mit dem Bodenschutz
Bericht S. 40: „Für die Erhaltung der Kulturböden in ihrer flächenmässigen Ausdehnung (Bodenquantität) ist die Landwirtschaft insofern ausschlaggebend, als sie mit der Bewirtschaftung das Aufkommen von Wald verhindert und so die Kulturlandschaft offen hält (vgl. Ziff. 1.2.2.2.2). Für den Verlust an fruchtbaren Böden ist in erster Linie die Siedlungstätigkeit verantwortlich.“
Diese Darlegung ist sehr signifikant für die Art, wie diese entscheidenden Fragen heute administriert werden. Für den Schutz des guten Landwirtschaftslandes vor der Siedlungstätigkeit ist die Gesellschaft als Ganzes verantwortlich. Vor allem muss aber die Landwirtschaft bzw. die staatliche Administration der Landwirtschaft und der Ernährungsvorsorge sagen können, wie viel Boden reserviert werden muss. Und die staatliche Administration muss auch die Kriterien, die zur Ausscheidung der Fruchtfolgeflächen anzuwenden sind, klar vorgeben. Dadurch, dass die Verwaltung das offensichtlich und trotz verschiedener Vorstösse seit 1986 beharrlich nicht tut, blockiert sie den erfolgreichen Schutz der Fruchtfolgeflächen. Die Antwort des Bundesrates vom 18. Mai 2005 auf die Interpellation Rudolf Joder vom 15. März 2005, Mitunterzeichner Hansjörg Hassler und Josef Kunz, „Zukunft der Fruchtfolgeflächen“ zeigt nur zu deutlich, dass der Bundesrat diesen Auftrag nicht umsetzt. Das steht im Missverhältnis mit den Bestrebungen um die Revision/Schwächung des RPG und des BGBB. Werden z.B. Schutzflächen erhöht, so muss dies genauso auf Kosten der Bauzonen wie der Landwirtschaftszonen erfolgen können. Es muss diesbezüglich aus dem Bereich der Agrarreform ein Gestaltungswille sichtbar werden, der auch dartut, unter welchen Umständen die Gesellschaft wie viel Landwirtschaftsland zur Verfügung haben muss. Formulierungen wie auf S. 40 des Berichts helfen lediglich den politischen Gestaltungswillen zu zerreden.
Wir sind hier ganz klar der Auffassung, dass die Verantwortung aus der Kenntnis der Zusammenhänge auch beim Volkswirtschaftsdepartement, solange dieses Departement noch so heisst, liegt. Denn hier darf nicht vergessen werden, dass es das Bundesamt für Landwirtschaft selbst war, das die Aufhebung der Bodenabhängigkeit der Landwirtschaft gefördert und damit indirekt, jedoch sehr wirksam den Stellenwert der Fruchtfolgeflächen geschwächt hat. Das aufgezeigte Defizit ist dringend zu beheben, ansonsten müssen die Verantwortlichkeiten abschliessend geklärt werden.




Generell zu 1.3.1.4 Freihandelsabkommen mit Drittstaaten und 1.3.1.5. Freier Zutritt für LDC
Grundsätzlich kommen die Erzeugnisse der Subsistenzlandwirtschaft weder auf einen nationalen, geschweige denn auf den Weltmarkt. Entwicklung für arme rückständige Länder heisst immer Entwicklung des inneren Marktes. Der landwirtschaftliche Export für wenig entwickelte Länder bringt nicht die Einnahmen, welche die Wertschöpfung ersetzen können, welche die für den Export tätigen Arbeitskräfte für die Entwicklung des inneren Marktes hätten leisten können.
Der „Freie Zutritt“ bekommt zu Unrecht einen entwicklungshelferisch-sozialen Status und insinuiert, dass Freihandel den armen Ländern helfe, nach dem bekannten aber falschen Muster: 'der Protektionismus der Industrieländer verursache die soziale Notlage der Entwicklungsländer'. Es muss hier betont werden, dass die Landwirtschaft in den entwickelten Ländern und in den weniger entwickelten Ländern unter ähnlichen bis gleichen Grundproblemen leidet.


Zur Nachhaltigkeit
1.3.2.1 Es wird im Bericht zur AP 2011 unnötigerweise einer Internationalisierung der Kriterien der Nachhaltigkeit das Wort geredet. Es ist ja nicht einzusehen, warum die Internationalisierung des Lebensmittelmarktes, der ohne jede Beachtung bzw. direkt zu Lasten der ökologischen Standards gefördert wird, unbesehen unterstützt werden soll, um dann auf der anderen Seite mit internationalen Vereinbarungen die zerstörten Standards wieder einzuführen. Ein Vertrag über pflanzengenetische Biodiversität ersetzt uns nicht die durch den verschärften Preisdruck zerstörten hiesigen Standards. So heisst es bezüglich Green Box: S. 59: „Die Kriterien für die von der Produktion entkoppelte Stützung in der sogenannten „Green Box“ (z.B. Direktzahlungen) sollen überprüft werden. Der Grundsatz, nach dem diese Art der Stützung von Begrenzungen und Abbaumassnahmen ausgenommen wird, steht jedoch fest.“ Man kann das nur als Absichtserklärung verstehen. Denn es ist doch offensichtlich, dass bisher erreichte ökologische Errungenschaften und Standards laufend unter den Attacken des Freihandelskonzeptes stehen. Und nun wird unter Biodiversität einem Abkommen das Wort geredet, von dem es heisst: Bericht S. 60 „Er regelt den Umgang mit pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und enthält Bestimmungen und Massnahmen zu deren Erhaltung und nachhaltigen Nutzung. Ein wichtiges Element für die internationale Forschungs- und Züchtungszusammenarbeit ist das multilaterale System für den erleichterten Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen und für die Aufteilung der Vorteile, die aus der Nutzung solchen Materials entstehen.“ Vor dem Hintergrund der Debatte um das Gentechmoratorium ist offensichtlich, dass auch solche international angelegte Register nicht ebenfalls den sich ausdehnenden Marktkräften unterliegen werden. Anstatt auf solche „Vorteile“ zu hoffen, wäre es zielführender, die zwischen Produzenten und Konsumenten erreichten Standards im Zustand ihres Funktionierens zu schützen.
Das gilt besonders deutlich in Bezug auf die Biodiversitätsstrategie! S. 61 „Deshalb schlagen Experten vor, eine nationale Biodiversitätsstrategie zu erstellen. Information und Sensibilisierung der Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Bauernfamilien für den Wert der Biodiversität und die Bedeutung ihrer nachhaltigen Nutzung sind zentral.“ Wir schlagen vor, dass das ökologische Thema Teil der Information über die Lebensmittelherstellung und die Lebensmittelpreise sein muss. Und dass jede Gesellschaft das Recht hat, diese Dinge frei zwischen Produzenten und Konsumenten zu beschliessen und gegen „unökologische“ Preise zu schützen.

Zu Ziff. 1.3.2.6 des Berichtes: So heisst es: „Internationale Strategien und Massnahmen, um globale Umweltrisiken zu vermindern, gewinnen an Bedeutung.“ Mit anderen Worten, die AP 2011 setzt auf global höhere Standards, um eine gesunde Ernährung besser gegen die Marktkräfte der reinen Preiskonkurrenz durchzusetzen. Ein paar Zeilen weiter heisst es dann: „Eine intakte Umwelt und eine attraktive Landschaft sind für die Schweiz wichtige Standortfaktoren. Die integrierte Produktepolitik bietet der Landwirtschaft die Chance, sich mit nachweislich nachhaltig produzierten Lebensmitteln zu profilieren.“ Das kann in der Schweiz aber nur gelingen, wenn der Zusammenhang zwischen ökologischen Standards und Preisen für jede Volkswirtschaft als gültig anerkannt wird und nicht der Weg über die schrankenlose Internationalisierung des Agrarhandels, um angeblich erst dadurch zu mehr Ökologie zu gelangen, vorgeschrieben und durch die WTO erzwungen wird.



Zum Bodenrecht und zur Raumentwicklung BGBB / RPG

Die vorgeschlagenen Änderungen müssen zusammen mit der vorgeschlagenen Revision des Raumplanungsgesetzes gesehen werden. Die eigentliche problematische Wirkung der vorgeschlagenen Lockerungen des BGBB entfaltet sich im Zusammenwirken mit dem RPG. Siehe die Vernehmlassung der SVIL zur Revision des RPG vom 29. Juli 2005.

Die Zielsetzung der AP 2011, durch die Lockerung des BGBB den Strukturwandel in der Landwirtschaft und die Erhöhung der Mindestgrösse der Betriebe zu erleichtern, beruht auf einer falschen Analyse des beobachteten Konfliktes.
Es wird in der Analyse kritisiert, dass viele kleinere bis mittlere Landwirtschaftsbetriebe unnötigerweise weitergeführt würden, weil die Förderungsschwelle zu tief liege. Kleinere bis mittlere Betriebe könnten quasi missbräuchlich zum Ertragswert übernommen werden und kämen in den Genuss von Einkommen aus der Landwirtschaft, obwohl sie die Flächen nur im Nebenerwerb bewirtschafteten.
Wir sind jedoch der Auffassung, dass nicht das bäuerliche Bodenrecht sondern vielmehr die bewusste Auflösung der Bodenabhängigkeit der Landwirtschaft und der Er¬satz der Produzentenpreise durch Direktzahlungen die Situation geschaffen haben, dass zusätzlich zur Preisbeschränkung ein direktzahlungsbestimmter bzw. stark eingeschränkter Bodenmarkt in der Landwirtschaftszone entstanden ist. Dieses Problem kann nicht mit der Lockerung des RPG und BGBB gelöst werden. Eine solche bodenrechtliche Lockerung wäre erst dann möglich, wenn der vorhandene Kapitalanlagedruck auf Bauland und auf das an die Bauzonen angrenzende Landwirtschaftsland sowie attraktiv gelegene Liegenschaften nicht mehr das Hauptproblem wäre.
Es kann ja nicht die landwirtschaftliche Tätigkeit immer stärker mittels Direktzahlungen entschädigt werden, ohne dass es in der Landwirtschaftszone zu einem Wandel bezüglich den Know-how-Voraussetzungen kommt. Das heisst, beim Entscheid eine Fläche selbst zu bewirtschaften ist nicht mehr vorwiegend die landwirtschaftliche Erzeugung von Produkten und das fachliche Know-how allein ausschlaggebend, ob ein solcher Betrieb die Fläche bewirtschaftet oder ob er sich überlegt, mangels Know how auf Anbau-Investition zu verzichten. Denn ohne Direktzahlungen rechnet sich die Anbauinvestition, wenn das notwendige Know-how fehlt, sicher nicht. Also ist die Bereitschaft, die Fläche an einen aktiven, professionell bewirtschaftenden Betrieb weiterzugeben (durch Pacht oder Verkauf) bedeutend grösser. Heute ist bei unsachgemässer Feldbestellung wegen dem hohen Anteil der Direktzahlungen im Vergleich zum produzierten Warenwert kein Verlust zu befürchten. Zumindest sind die Anlagekosten sehr gut entschädigt. Dass in einer solchen Situation die „Nichtlandwirte“ das Risiko die Flächen selber zu bewirtschaften vermehrt eingehen, ist die logische Folge. Hier liegt der Hauptgrund, warum immer mehr „Nichtlandwirte“ anstatt sich von der Fläche zu lösen, dann eben hängen bleiben und hier etwas dazuverdienen wollen. Dieses in der Tat vorhandene Problem jedoch mit einer Öffnung des BGBB im Verbund mit der Revision des RPG zu lösen, ist das falsche Mittel. Man darf nicht ein Problem lösen wollen und dadurch ein viel grösseres schaffen.

In Verbindung mit der Liberalisierung des Binnenmarktes, der Revision des Raumplanungsgesetzes und der Regionalpolitik müssen wir uns jedoch schon die Frage stellen, ob die Öffnung des RPG und BGBB eben nicht doch auch mit Absicht erfolgt ist, die Bedingungen zu verbessern, fehlendes Einkommen und fehlendes Wachstum durch die Entwicklung im Immobiliensektor zu ersetzen. Dass dann aber die Agrarreform dazu benutzt wird, die Raumplanung zu öffnen und das Bodenrecht zu schwächen, wäre dann ein schwerwiegender Fehler.

Das BGBB und das RPG müssen in der heute rechtsgültigen Form beibehalten werden. Jede Öffnung führt zu einer Verteuerung des Produktionsfaktors Boden. In einer Phase, wo die Produzentenpreise derart unter Druck sind, ist jede Massnahme, welche zu einer Verteuerung der Produktion führt, nicht verantwortbar. Dass die AP 2011 dennoch dieses Risiko eingeht, weist darauf hin, dass der Druck zu einer immobilienmässigen Vermarktung der Landschaft mangels anderer Formen der Wertschöpfung und Einkommensbildung enorm zugenommen hat. (Vgl. auch die Bemühungen der avenir suisse im Zusammenhang mit der Multifunktionalität des ländlichen Raumes.)

Bericht S. 241: Es wird an dieser Stelle des Berichts richtig erkannt, dass die 3 Hauptziele des BGBB darin liegen, den Selbstbewirtschafter zu stärken, die übersetzten Preise in der Landwirtschaftszone zu senken und die Pfandbelastung zu beschränken. Im Konzept der AP 2011 wird nun die Auffassung vertreten, die „gegenwärtigen Reformen im Agrarbereich“ erforderten eine Revision u.a. auch des BGBB. „Die gesteigerten Anforderungen an die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte, die künftig ihre Rolle als Unternehmer gänzlich wahrzunehmen haben, setzen eine Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen voraus. Die Vorschläge erleichtern den Strukturwandel (Erhöhung der Gewerbegrenze, Aufhebung von Preis- und Pachtzinsvorschriften) und stärken die Eigenverantwortung der Landwirte (Aufhebung von Preis- und Pachtzinsvorschriften sowie der Belehnungsgrenze, Entlassung der Bauzone aus dem LPG).“
Hier liegt unseres Erachtens ein Fehlschluss vor, indem von den „Lockerungen der Bestimmungen“ auf den „erleichterten Strukturwandel“ geschlossen wird. Es steht bei der räumlichen Trennung des Bodens in Bauzonen und Landwirtschaftszonen nicht zur Debatte, wie der Strukturwandel in der Landwirtschaft erleichtert werden kann. Es geht in erster Linie um die Raumplanung und um den Schutz der Landwirtschaftszone vor der Überbauung. Die Situation vor Einführung des Raumplanungsgesetzes war ja gerade charakterisiert dadurch, dass die Wertschöpfungsmöglichkeiten ausserhalb Bauzonen, sofern es sie schon gab, im nichtlandwirtschaftlichen Bereich bedeutend höher waren als in der Landwirtschaft. Denn der Boden war ja schon damals ausserhalb dem engeren Siedlungsgebiet billiger und die Einschränkungen waren geringer. Deshalb musste der Bund mit einem dringlichen Bundesbeschluss eingreifen, weil befürchtet wurde, dass sich das Siedlungsgebiet in relativ kurzer Zeit ungeordnet auf die Landschaft ausdehnt. Durch die raumplanerische Trennung in Bauzone und Landwirtschaftszone wurden die wirtschaftlichen Aktivitäten in der Landwirtschaftszone, welche nicht direkt dem Zonenzweck und der Lebensmittelproduktion dienen, drastisch eingeschränkt. Es wurde auch erwartet, dass die so eingeführte Raumordnung dazu führt, dass die Bodenpreise in der Landwirtschaftszone deutlich sinken und dass sich auch das Kostenumfeld in der Landwirtschaftszone senkt. Dieser Effekt trat nicht im erwarteten Masse ein. Einerseits litt die Landwirtschaft bezüglich der Vorleistungen unter dem hohen Kostenumfeld der ganzen Schweiz, das an der Landwirtschaftszonengrenze nicht halt machte, und zweitens hatte die Bautätigkeit in der Hochkonjunktur zur Folge, dass viele Bauern, die ihren Standort wegen der Siedlungsentwicklung verlassen mussten, das aus dem Baulandverkauf realisierte Geld im Kauf von landwirtschaftlichen Liegenschaften oder Einzelparzellen einsetzten. Dadurch kam es in den Landwirtschaftszonen nicht innert Frist zur erhofften Preissenkung. Auch war schon in den 80er Jahren der Agglomerationsdruck in der Schweiz auch auf der Landschaft sehr stark spürbar, sodass die Bodenpreise auch ausserhalb der rechtsgültigen Bauzonen vielfach noch Baulanderwartungspreise ausdrückten.
Diese Situation, dass die Zersiedelung der Schweiz und der Druck auf die Landwirtschaftszone weiter fortdauerte, führte zu verschiedenen Bodenrechtsinitiativen. Diese versuchten die Verfügungsfreiheit über das Bodeneigentum drastisch einzuschränken. Dagegen stiess der Vorschlag des bäuerlichen Bodenrechts auf politische Zustimmung. In der Landwirtschaftszone sollte dem Zonenzweck entsprechend die bodenerhaltende Nutzung der Landwirtschaft allein zugelassen werden. Der Bodenmarkt sollte zusätzlich durch das bäuerliche Bodenrecht vom Druck aus dem Siedlungsgebiet geschützt werden. Um diesem Druck der im Verhältnis zur landwirtschaftlichen Wertschöpfung zu hohen Bodenpreise in der Landwirtschaftszone begegnen zu können, wurde das Prinzip des Selbstbewirtschafters, das der Bodenpreisbeschränkung und der Begrenzung der Belehnung des Bodens fest verankert. Das heisst im Klartext:
1. Die Bodenpreise wurden beschränkt.
2. Der Selbstbewirtschafter hat gegenüber nichtlandwirtschaftlichen Käufern Vorrang.
3. Die Belehnbarkeit der im Preis beschränkten Liegenschaften ist ebenfalls eingeschränkt und an den landwirtschaftlichen Ertragswert gebunden.

Auf die Behauptung der AP 2011, dass nämlich diese ehemals zum Schutz der Landwirtschaft gegen die Boden verändernden Nutzungen eingeführten Massnahmen nun den Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft behinderten, muss näher eingegangen werden. Welche Probleme auch immer mit einem regulierten Bodenmarkt auftreten, sicher können sie nicht dadurch entschärft werden, dass man zu einer Auflösung der Raumplanung und des bäuerlichen Bodenrechts Hand bietet.
Die von der AP 2011 festgestellten Behinderungen in der Landwirtschaftszone müssen genau geklärt werden.
Wenn nun der ökonomische Strukturwandel in der Landwirtschaft fortschreitet, dann bleibt alte Bausubstanz in der Landwirtschaftszone übrig, die entweder nach der landwirtschaftlich definierten Ökonomie innerhalb der Landwirtschaftszone als abgeschrieben zu betrachten ist, oder sie wird im Sinne Wohnen bleibt Wohnen weiterhin sinnvoll genutzt. Das ergibt an sich kein Problem. Die Probleme entstehen erst dann, wenn dieser Grundgedanke der Raumplanung wieder rückläufig wird und im Rahmen der Einkommensproblematik der aktiven Landwirtschaft die „alte“ Bausubstanz als Bauland ausserhalb Bauzone und als nichtlandwirtschaftliche Erwerbsmöglichkeit aktiviert wird. Je nach der angestammten Siedlungsstrukur ausserhalb Bauzonen haben die Kantone entsprechende Regelungen, teils bessere, teils schlechtere gefunden.
Wenn man jedoch die Dinge genauer betrachtet, so wurde dieses Problem in seiner offensichtlich nun flächendeckenden Wirkung durch die Direktzahlungen in einer neuen Ausdehnung erzeugt. Die Direktzahlungen haben die bäuerliche Einkommensbildung vom produktionsbedingten Umgang mit den Produktionsstrukturen und damit auch von den räumlich/baulichen Strukturen gelöst. Damit ist eine Situation entstanden, dass auch bei der praktizierenden Landwirtschaft die Ökonomiegebäude nicht mehr vollständig mit der landwirtschaftlichen Einkommenserzeugung verbunden sind. Und aus dieser Situation heraus entsteht nun schlagartig eine breite Nachfrage nach einer nichtlandwirtschaftlichen Nutzung der bestehenden Ökonomiebauten aus der aktiven Landwirtschaft heraus. Das heisst, mit anderen Worten, der Strukturwandel findet nicht mehr über die Vergrösserung der Betriebe im Rahmen der Lebensmittelproduktion statt, wobei die frei werdende Bausubstanz durchwegs mit den aufgelassenen Betrieben zusammenfällt, sondern jetzt findet der Wechsel von der bodenabhängigen Lebensmittelproduktion zur Angliederung von nichtlandwirtschaftlichen Erwerbsformen auf jedem Landwirtschaftsbetrieb statt. Was jetzt in Art. 24 RPG vorgeschlagen wird, ist die Fortsetzung der im Rahmen der AP 2002 eingeleiteten Neudefinition des Begriffes der Landwirtschaft. Die landwirtschaftliche Produktion ist nach neuem Landwirtschafts- und nach revidiertem Raumplanungsgesetz eben nicht mehr ausschliesslich an die bodenabhängige Produktion gebunden. Wen wundert das dann, dass ja durch diese „Öffnung“, welche das Landwirtschaftsgesetz 1999 durch die Aufhebung der Bodenabhängigkeit der Landwirtschaft eigenhändig einleitete und welche durch die Revisionen des Raumplanungsgesetzes weiter vorangetrieben wird, die aktiven Landwirtschaftsbetriebe geradezu dazu gedrängt werden, sich den nichtlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten, welche durch die Lockerung des RPG erleichtert werden, zuzuwenden?
Wenn nun also die AP 2011 davon spricht, durch eine abermalige Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen in RPG und BGBB würde der Strukturwandel innerhalb der Landwirtschaft zu Gunsten der Vollerwerbsbetriebe angeregt, so trifft das so nicht zu. Es wird das Vordringen der nicht bodenabhängigen Nutzungen in die Landwirtschaftszone erleichtert. Der Strukturwandel auf der Basis der bodenabhängigen Lebensmittelproduktion wird jedoch deutlich erschwert.

Deshalb ist die vorgeschlagene Erhöhung der Gewerbegrenze keine Lösung! „Der gegenwärtige Mindestbedarf von 0,75 Standardarbeitskräften ist zu niedrig, um die Zielsetzungen der Agrarpolitik 2011 zu erreichen.“ S. 242. Das mag ja durchaus so sein, dass weniger und grössere Betriebe erwünscht sind. Was hat jedoch diese Zielsetzung mit der Lockerung des bodenrechtlichen Schutzes der Landwirtschaft und der Öffnung der Landwirtschaftszone zu tun? Von einem Strukturwandel in der Landwirtschaft kann nur gesprochen werden, wenn die Organisation des Betriebes und der Produktionsfaktoren massgebend ist, um kostendeckende Preise zu erreichen. Unter Bedingungen, welche diese Zusammenhänge der gesellschaftlichen Wertschöpfung immer mehr ausblenden, den Schutz der Landwirtschaftszone und des Bodenrechts schwächen und den nichtlandwirtschaftlichen Erwerb flächendeckend als Einkommensziel anstreben, kommt der durch die betriebliche Wertschöpfung in der Lebensmittelproduktion inspirierte Strukturwandel unvermeidlich zum Erliegen. Die Anhebung der SAK bezüglich dem öffentlich-rechtlichen Schutz der Betriebe kann den gewünschten Strukturwandel in keiner Weise in Gang setzen.
Vielmehr wird der immobilienmässige Verwertungsdruck auf alle Liegenschaften unter 1.25 SAK sprunghaft zunehmen. Dabei wird der Kreativität, wie mit nichtlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten die bestehende Bausubstanz noch erweitert werden kann, kaum Grenzen gesetzt. Freiwillige Betriebsübergaben in den Familien unterhalb 1.25 SAK werden unter diesen Umständen kaum unterhalb möglichen Verkehrswerten erfolgen. Diese Dynamik wird sich durch die Revision des RPG sogar bei den Betrieben mit mehr als 1.25 SAK, welche alle einen nichtlandwirtschaftlichen Erwerbszweig mit baulichen Erweiterungsmöglichkeiten angliedern können, fortsetzen. Deshalb ist die im Bericht S. 242 angeführte Überlegung nicht stichhaltig, wonach die Erhöhung der Gewerbegrenze betreffend der Übernahme des Betriebes zum Ertragswert dazu führe, dass kleinere Betriebe ihr Land (und ihre Gebäude) vermehrt grösseren Betrieben zu Gunsten der rein bodenabhängigen Produktion zur Verfügung stellen würden:
„ Die Übernahme zum Ertragswert ist auch für kleine Betriebe attraktiv. Die heutige Technik erlaubt die extensive Bewirtschaftung solcher Betriebe, beispielsweise nach Aufgabe der Milchproduktion, neben der Ausübung eines anderen Berufs. Das entsprechende Land steht dann nicht zur Verfügung für das Wachstum der Haupterwerbsbetriebe, das zur Erhaltung des Einkommens notwendig wäre.“
Diese Argumentation würde dann eher zutreffen, wenn die nichtlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten in der Landwirtschaftszone anstatt wie jetzt erweitert eher eingeschränkt würden. Auch muss in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass das nicht eine Frage der heutigen Technik ist, sondern neben den nichtlandwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten im Gefolge der Revision des RPG auch die Folge der Direktzahlungen. Diese erlauben Einkommen, ohne dass der ganze biologische und technische Stoffwechsel des Betriebes, wo nur Fachwissen, technische Ausrüstung und Arbeit über den Erfolg entscheidet, in Gang gesetzt werden muss.
Wir brauchen auch die landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebe unterhalb 1.25 SAK zu den gleichen Bedingungen wie die Vollerwerbsbetriebe. Wer zudem die Topographie und die vielen konkreten Verhältnisse in unserem Land kennt, weiss nur zu genau, dass eine solche Methode des „Capping“ völlig falsch ist. Es werden Nebenerwerbsbetriebe, die sehr wichtig und ökonomisch sinnvoll sind, zerstört und es wird den grösseren Betrieben durch die Ankurbelung des nichtlandwirtschftlichen Erwerbs und des Immobilienmarktes auf Ebene der so aufgelösten Betriebe unterhalb 1.25 SAK das Leben ebenfalls nicht einfacher gemacht.

Zur Aufhebung der Preisbeschränkung
„Eine andere Änderung im BGBB betrifft die Aufhebung der Bestimmung, nach welcher die Erwerbsbewilligung im Falle der Vereinbarung eines übersetzten Preises zu verweigern ist. Gleichzeitig sind auch die Ausnahme vom Selbstbewirtschafterprinzip im Falle einer öffentlichen Ausschreibung des zu erwerbenden Grundstücks zu einem nicht übersetzten Preis sowie das Verbot einer freiwilligen Versteigerung abzuschaffen. Die Aufhebung der Preisbegrenzung leistet einen Beitrag zur Erleichterung der Strukturentwicklung. Ohne Preisbegrenzung dürfte sich der eine oder andere Eigentümer entschliessen, ein Grundstück zu verkaufen, das er sonst behalten hätte.“ S. 244.
Die hier angeführte Begründung beachtet nur einen kleinen Ausschnitt aus dem ganzen Zusammenhang. Es wird angeführt, dass die Aufhebung der Preisgrenze einen Beitrag an den Strukturwandel leiste, weil höhere Verkaufspreise die Wahrscheinlichkeit erhöhten, dass Landeigentümer ihre Parzellen vielleicht doch verkauften. Was passiert, wenn sie es nicht verkaufen können oder wollen, weil der Preis zu tief ist? Auch Pachtland kann den Strukturwandel fördern. So argumentiert zumindest in diesem Punkt die FAT-Studie von Senti et. al., wo der Strukturwandel mit einem erhöhten Pachtlandanteil (als Folge in diesem Zusammenhang wegen der Unmöglichkeit, den Betrieb zum Ertragswert zu übernehmen) eher gefördert werde. Die Aufhebung der Möglichkeit, dass der Betriebsnachfolger Land zum Ertragswert übernehmen kann, führe ja zu einem weiteren Anwachsen des Pachtlandanteiles und damit zu einer grösseren Landmobilität. Wenn Landkäufe wegen zu tiefem Preis von Seiten der Verkäufer nicht zustande kommen, dann besteht ja auch hier die Möglichkeit der Pacht.
Dass der Landeigentümer nicht verkauft, hängt häufig auch nicht mit dem zu geringen landwirtschaftlichen Verkaufspreis wegen der Preisbeschränkung zusammen. Liegt die Parzelle in einer Lage, die baugebietsverdächtig ist, dann spielt es keine Rolle, ob der Verkaufspreis auf Fr. 6.- beschränkt wird oder ob Fr. 15.- gelöst werden könnten. In beiden Fällen ist das für den Verkäufer, der auf Einzonungen hofft oder inzwischen auf eine weitere Öffnung des RPG, gleichermassen ein zu tiefer Preis. Gerade der nichtbäuerliche Landeigentümer wird erst zu Preisen verkaufen, die auf die Baulandnutzung hinweisen. Das sind jedoch Preise, die für die Landwirtschaft, welche die Produktionskosten senken muss, indiskutabel sind. Das ganze Problem müsste auf der Ebene der Nutzung gelöst werden, wie das die SVIL mit der „Pachtarrondierung“ schon vor mehr als dreissig Jahren in die Diskussion gebracht hat. Diese Vorschläge haben damals nur deswegen nicht zum Ziel geführt, weil ja die Hoffnung des nichtlandwirtschaftlichen Landeigentümers auf den Verkehrswert und die freie Wertbildung, die sich über die entsprechende Belehnung des Bodens durch die Banken ausdrückt, eine neue Betrachtung der Bodenordnung rein nach dem Gesichtspunkt der Nutzung nicht zulässt. Gerade aus dieser Erkenntnis heraus entstand dann der Vorschlag, den Bodenpreis in der Landwirtschaftszone rigoros zu beschränken, um ihn so besser an den Status der Nutzung angleichen zu können. Und nun, anstatt bei einem Bodenpreis von Fr. 3.-/m2 in der Landwirtschaftszone den Schluss zu ziehen, der Boden diene der landwirtschaftlichen Nutzung und gehöre deshalb in die Hände der Bauern, nicht als Ware sondern als nicht belehnbare Produktionsgrundlage, geht man in dieser Agrarreform hin und löst alles wieder auf, in der illusionären Hoffnung, es besserte sich dann dadurch das Kostenumfeld für die landwirtschaftliche Produktion. Es ist doch nichts anderes als eine massive Konzession an die neoliberale Reform, welche im Immobilienbereich jede Einschränkung des Warencharakters des Bodens beseitigen will. Die Aufhebung de Preisbegrenzung ist in der AP 2011 in ein agrarpolitisches Argumentarium verpackt, das keiner rationalen Erörterung standhält.

Baurechte, Landerwerb im öffentlichen Interesse, abgeschlossene Landverkäufe unter der Preisbeschränkung
Es sind aber nicht zuletzt auch die zahlreichen Landkäufe und Übertragungen von Baurechten zu bedenken, die seit dem Greifen des BGBB alle zu tiefen Preisen umso leichter getätigt werden konnten, weil eine Aussicht auf erhöhte Preise nicht mehr bestand. Ein abermaliger Richtungswechsel in der Bodenpolitik würde für die Zukunft jeden Landerwerb für öffentliche Zwecke verunmöglichen. Zudem stellen sich Fragen, wie jene Landeigentümer, die zu tiefen Preisen verkauft oder zu Baurechten eingewilligt haben und nun sehen, dass nichts kurzlebiger ist als eine staatliche Bodenpolitik, entschädigt werden sollen? Wir möchten in aller Form die zersetzende Wirkung eines solchen Vorgehens in der Bodenfrage zu bedenken geben. Die logische Folge dieser rücksichtslosen neoliberalen Auflösungstendenzen wird sein, dass an jeder einzelnen Parzellengrenze der gepredigte freie Markt herrschen wird. Wie unter diesen Bedingungen eine sinnvolle und effiziente Bodennutzung organisiert werden kann, muss beantwortet werden. Jedenfalls sind neue Formen der Enteignung hier nicht zielführend, weil sie die angestammte Nutzungsordnung sowie die Raumplanung erst recht auflösen würden.

Zur Aufhebung der Belastungsgrenze
Auch die Ausführungen über die Aufhebung der Belastungsgrenze, Bericht S. 244, zur „Vergrösserung“ der „Eigenverantwortung und Entscheidungskompetenz der Landwirte im Bereich der Investitionen und deren Finanzierung“ sind aus der falschen „sozialen“ Sicht der Erhaltung des Bauernstandes heraus geschrieben. Auch die Überschuldung in früheren Zeiten ist nicht die direkte Folge des sozialen Verfalles, vielleicht auch des sozialen Zerfalls in Krisenzeiten. Es geht jedoch darum, dass die Belehnbarkeit von Immobilien eine der Grundeigenschaften der liberalen Eigentumsordnung darstellt. Je reicher ein Land wird, je mehr Geld in den Boden drängt, umso höher steigen die Bodenpreise und die Belehnungswerte. Das hat historisch dazu geführt, dass auch landwirtschaftlicher Boden in der Schweiz bereits Ende des 19. Jahrhunderts systematisch und weit über seinem unmittelbaren wirtschaftlichen Ertragswert durch die Kreditgeber belehnt wurde. Die Raumplanung allein löst dieses Problem nicht. Denn auch „Bauerwartungsland“ ausserhalb Bauzonen wird ohne Belehnungsgrenze, wie die Erfahrung gezeigt hat, zu einem weit höheren Preis belehnt als der landwirtschaftliche Ertragswert. Es geht darum, dass jeder Landwirtschaftsbetrieb einzeln vor der Frage steht, ob er sein Einkommen aus der Bewirtschaftung des Landes erzielen will oder ob er individuell die Möglichkeit nutzen will, dass die Kreditgeber auch Landwirtschaftsland weit über den landwirtschaftlichen Ertragswert hinaus zu belehnen bereit sind. Geht man von einer klaren Trennung von Bauzone und Landwirtschaftszone aus, dann ist dieser zweite Weg nicht mehr offen. Die Einschätzung im Bericht S. 244, dass „die möglichen Auswirkungen einer Aufhebung der Belastungsgrenze auf Kreditmarkt und Bodenmarkt als gering einzustufen“ „seien“, verkennt, dass auch innerhalb Bauzonen die Liegenschaften nicht nach ihrem unmittelbaren ökonomischen Rendement belehnt werden, sondern systematisch darüber hinaus, was mit der Bodenpreissteigerung zusammenhängt. Auch ausserhalb Bauzonen führt dies zu einem enormen Druck, die nichtlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten zu erweitern und die Raumplanung zu lockern. Hier liegen die Hauptgründe für die Beibehaltung der Belehnungsgrenze im BGBB. Im Bericht wird S. 251 die Immobilienkrise der 90er Jahre angeführt: „Dabei ist allerdings zu bedenken, dass sich die Belastungsgrenze in der Vergangenheit als effizientes Instrument zur Begrenzung der Fremdfinanzierung in der Landwirtschaft erwiesen hat. Vor allem in Zeiten spekulativer Nachfrage auf dem Bodenmarkt und grosszügiger Finanzierung seitens der Banken hätte wohl die Fremdfinanzierung ohne Belastungsgrenze stark zugenommen und vermehrt zu finanziellen Krisen geführt. Im Anschluss an die Immobilienkrise der neunziger Jahre haben aber die Banken ihre Kreditvergabepolitik angepasst und kalkulieren heute deutlich vorsichtiger. Zunehmend finden vertiefte und individuelle Prüfungen der Kreditgesuche statt. Deshalb ist kaum zu erwarten, dass die Aufhebung der Belastungsgrenze zu einer starken Ausdehnung der Grundpfandbelastung in der Landwirtschaft führen wird. Weiter sind Kreditprüfungen anhand des Ertragswertes (worauf die Belastungsgrenze basiert), wegen dieses objektivierten und von der aktuellen Bewirtschaftung unabhängigen Messwerts für die Banken zwar praktisch und gut handhabbar, entsprechen aber nicht den Anforderungen einer individuellen Tragbarkeitsberechnung. Bei dieser Vorgehensweise werden gewisse Risiken nicht erkannt, während in anderen Fällen überschätzte Risiken oftmals zu schlechteren Darlehenskonditionen führen.“
Hier gilt es vor allem zu sehen, dass die geäusserte Kritik an den „Zeiten spekulativer Nachfrage“ der heutigen Reform nicht gut ansteht. Es ist ja gerade der heutige Druck dieser Nachfrage selbst, welcher für eine Öffnung des RPG sowie für eine massive Einschränkung des BGBB votiert. Zweitens ist heute der Druck, Gelder im Boden anlegen zu müssen (Pensionsfonds, gesättigter Konsumgütermarkt etc.) um einiges höher als noch in den 80er Jahren. Drittens ist die hohe Belehnung der Immobilien ein von den Kreditinstitu¬ten bewusst angewandtes Mittel, um die wirtschaftliche Wertschöpfung anzuregen und Wachstum zu erzeugen. Die im Bericht erwähnte Immobilienkrise hat den Banken nicht geschadet, sondern lediglich die Kredite gelöscht, wie sie geschaffen wurden.
Die Raumplanung trennt den Bodenmarkt in einen Baulandmarkt und einen Bodenmarkt für Landwirtschaftsland. Mit der Belehnungsgrenze will das BGBB lediglich absichern, dass die Kreditinstitute mit der ihnen immanenten Tendenz diese Grenze nicht flächendeckend durchstossen. Dies ist eine klare Begrenzung der privaten Kreditschöpfung auf der Basis von Sicherheiten, die in der Landwirtschaftszone liegen. Dies liegt im öffentlichen Interesse und ist mit der individuellen Befindlichkeit des Grundeigentümers im ländlichen Raum nicht deckungsgleich. Mit anderen Worten ist die Belehnungsgrenze genauso plausibel wie eine Nutzungszone. Wir können die Fläche, die für die Ernährung reserviert werden soll, nicht den individuellen Entscheiden überlassen.
Einen Aspekt dieses Zusammenhanges, der doch immerhin die Forderung nach einem Monitoring enthält, nennt der Bericht S. 252 selbst: „Durch die Aufhebung der Belastungsgrenze werden individuell aushandelbare Kreditvolumen und Konditionen möglich. Jedoch wird es angezeigt sein, die Entwicklung der Fremdfinanzierung inskünftig zu beobachten und allenfalls vermehrte Markttransparenz zu schaffen, da das Zinsniveau wesentlich von der Kreditsicherheit und letztere von den Verkehrswerten auf dem Freihandmarkt abhängig ist.“ Dem ist kaum etwas beizufügen.

Deshalb lehnen wir mit Ausnahme Art. 58, Abs. 2 (Anhebung Mindestfläche bei Realteilungs- u. Zerstückelungsverbot) sowie Art. 62, Buchstabe f) (Grenzverbesserung gleich Grenzbereinigung) alle übrigen vorgeschlagenen Änderungen ab.



Bezug zur RPG-Revision
Die hier erwähnte „Änderung des bisherigen Rechts“ bezogen auf die laufende Revision des RPG haben wir teilweise bereits angesprochen. Wir verweisen auf unseren Bericht zur Vernehmlassung zur Revision des RPG vom 29. Juli 2005.
Die vorgezogene Revision des RPG ist nicht nötig. Es liegt in einzelnen Fällen am mangelhaften und teilweise kontraproduktiven Vollzug.
Zu bemerken ist, dass die Kombination der Änderungen im RPG mit den Änderungen im Bodenrecht BGBB eine sehr starke Wirkung entfalten werden, welche der Immobilienoption der neuen Regionalpolitik direkt in die Hände arbeitet.
Die Kombination der Änderungen im RPG mit den Änderungen im Bodenrecht BGBB öffnet die Landwirtschaftszone für eine erweiterte Nutzung der angestammten Gebäudestrukturen mit Erweiterungen. Mit dieser Gebäudesubstanz lässt sich eine neue Wertschöpfung erreichen. Deshalb schlägt die RPG-Revision vor, räumliche Öffnung für nichtlandwirtschaftlichen Erwerb bei sämtlichen Betrieben, also nicht nur bei jenen mit knappen Einkommen zu erlauben. Das ist ja aus der Landwirtschaft heraus eigentlich unnötig. Es macht nur einen Sinn, wenn angestrebt wird, das Gebäudepotential in der Landwirtschaftszone generell zu erweitern. Doch dieses Ziel ist mit der Raumplanung und der Erhaltung von genügend Landwirtschaftsland nicht vereinbar.
Neu können nichtlandwirtschaftliche Nebenbetriebe in der Landwirtschaftszone zusätzliche Bauten erstellen und dasselbe gilt auch für die hobbymässige Tierhaltung.
Parallel zu dieser Öffnung bzw. flächendeckenden Erweiterung des räumlichen Potentials in der RPG-Revision folgt nun die eigentumsrechtliche Öffnung durch die Verwässerung des BGBB:


Zu Art. 24 b RPG:
Zu Abs. 1
Wir sind im Grundsatz gegen eine nichtlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit in der Landwirtschaftszone. Ausnahmen sind wie bisher nur möglich, wenn diese sich klar ableiten aus einem regionalen Entwicklungskonzept, welches die wirtschaftlich langfristig gefährdeten Landwirtschaftsbetriebe ausdrücklich stärken will. Die vorgesehene Öffnung für Nebenbetriebe auf sämtlichen heute bestehenden Landwirtschaftsbetrieben ist raumplanerisch falsch und unnötig. Zudem ist es ja auch vom Gedanken des Strukturwandels her nicht sinnvoll, die Möglichkeit des nichtlandwirtschaftlichen Erwerbs gleichmässig über sämtliche Landwirtschaftsbetrieb auszustreuen.
Der Versuch, die untere Einkommensgrenze der Landwirtschaft, die zur Angliederung eines Nebenerwerbes berechtigt, anzuheben, schafft das Problem, dass grössere Landwirtschaftsbetriebe mit ausreichendem Auskommen neu nichtlandwirtschaftliche Erwerbszweige schaffen können, die denjenigen, die aus der Landwirtschaft ausgeschieden sind, verwert bleiben. Das heisst mit anderen Worten, das nichtlandwirtschaftliche Erwerbspotential ausserhalb Bauzone wird direkt der aktiven Landwirtschaft zugeschoben, die ja eigentlich von der Lebensmittelproduktion leben sollte. Auch muss die Frage zuerst beantwortet werden, wie sich das generell auf die Entwicklungschancen des angestammten Gewerbes ausserhalb der Bauzonen auswirkt.
Wir sind gegen diese generelle Öffnung.

Zu Abs.4
Es erstaunt, warum der nichtlandwirtschaftliche Nebenerwerb nicht mehr wie bisher ausdrücklich als Bestandteil des landwirtschaftlichen Gewerbes erklärt werden kann? Wird befürchtet, dass die Belehnungsgrenze dann eben auch für den nichtlandwirtschaftlichen Erwerbszweig gelten könnte? Der Vorschlag der AP 2011 mit der beschworenen „untrennbaren Betriebseinheit“ zwischen Landwirtschaft und nichtlandwirtschaftlichem Erwerb, die ja dann doch wieder aufgelöst werden kann, allerdings nicht pachtweise sondern nur, wenn ein anderer Betrieb an den Gebäudeteilen, die mit dem nichtlandwirtschaftlichen Erwerb verbunden sind, Eigentum bilden kann etc. etc., überzeugt nicht. Die Neuformulierung ist widersprüchlich.


Zur Regionalpolitik
Hier wird die Bildung von Naturpärken vorgeschlagen, die weniger die Natur erhalten wollen, sondern unter einem Label die Landschaft intensiver vermarkten wollen:
„Bei den regionalen Naturpärken steht eine nachhaltige Entwicklung der Region im Zentrum. Mit diesen Pärken sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Gewerbe und Dienstleistungsunternehmen zu stärken und die Vermarktung regionaler Produkte zu fördern. Erfüllt ein Park die gesetzlichen Anforderungen, so wird er vom Bund anerkannt und erhält das Label „Park von nationaler Bedeutung“. Dieses Label soll die Inwertsetzung des regionalen Wertschöpfungspotenzials unterstützen. Nach dem Prinzip der Freiwilligkeit sollen nur Pärke anerkannt werden, die auf regionalen Initiativen beruhen, von der lokalen Bevölkerung getragen werden und in ein kantonales Programm eingebunden sind.“
Hier wird in Zukunft deutlich werden, dass es sich kaum um eine neue innovative Politik in Sinne der Nachhaltigkeit handelt, sondern dass - mangels der landwirtschaftlichen, gewerblichen und industriellen Wertschöpfung - zum alten Mittel der wertschöpfungsintensiven Immobiliennutzung, bzw. der Überbauung des vorhandenen Immobilienpotentials gegriffen wird.
Verlautbarungen, die in diesem Zusammenhang so argumentieren, dass die Schweiz bereits eine Metropole sei, verbinden sich mit dem wirtschaftlichen Konzept, die Immobilientätigkeit zu öffnen, wenn andere Formen der wirtschaftlichen Wertschöpfung sich zurückbilden.


Fazit
Die Zielrichtung der AP 2011 ist mit der Zielrichtung der SVIL und ihrem Zweckartikel der rationellen Nutzung des Schweizerbodens nicht vereinbar. Auch ist die SVIL 1918 ja gerade als Antwort auf die unkontrollierte Verstädterung, die Bodenspekulation und die Versorgungskrise in der Ernährung auf den Plan gerufen worden.
Die AP 2011 übersieht die Konflikte und die Erkenntnisse, die unsere Gesellschaft in rund 100 Jahren, seit Einführung des bäuerlichen Erbrechts im ZGB 1912, gewonnen hat und setzt die Gesellschaft dem Risiko aus, dieselben Erfahrungen unter schwierigeren Umständen noch einmal machen zu müssen.

Mit freundlichen Grüssen
Schweizerische Vereinigung
Industrie und Landwirtschaft
SVIL

H. Bieri, Geschäftsführer

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