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Schweizerische Vereinigung Industrie und Landwirtschaft

Stellugnahmen zur Teilrevision des Raumplanungsgesetzes 2005/7

Vernehmlassungsfrist bis 2. August 2005

An das
Bundesamt für Raumentwicklung
Bundeshaus Nord
Eidgen. Dep. f. UVEK
3003 Bern


Zürich-Oerlikon, 29. Juli 2005


Sehr geehrter Herr Bundesrat Leuenberger
Sehr geehrte Damen und Herren


Wir danken für die uns zugestellten Unterlagen und möchten zu den vorgeschlagenen Änderungen im RPG sowie in der RPV wie folgt Stellung nehmen:


1. Übergeordnete Feststellung:

Grundsätzlich befürworten wir Massnahmen in der Raumplanung, welche das Wirtschaften der Landwirtschaft erleichtern. Die SVIL hat bereits in den 80er Jahren darauf hingewiesen, dass die Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone nicht zu schematisch beurteilt werden darf. Wir haben die innere Aufstockung befürwortet, unter der Bedingung, dass der bodenabhängige Teil des Betriebes überwiegt. Wir haben seinerzeit anfangs der 90er Jahre auch auf die fehlende Koordination zwischen RPG und BGBB hingewiesen in der Meinung, dass die landwirtschaftliche, bodenabhängige Nutzung in der Landwirtschaftszone gefördert und nicht behindert werden darf.


2. Die aktuell vorgeschlagenen Erleichterungen für die Landwirtschaft sind problematisch, wenn der Kontext, innerhalb welchem diese Erleichterungen gegeben werden, nicht geklärt ist.

Nach unserem Dafürhalten genügt es nicht, auf der Analyseebene zu den vorgeschlagenen Änderungen in Gesetz und Verordnung lediglich die allgemeinen Reformfloskeln wie „neue Herausforderungen“, „Änderung des gesellschaftlichen Umfeldes in den letzten Jahren“, „Blick über die Landesgrenzen“, „Reaktion auf den raschen Strukturwandel“, etc. anzuführen. Es geht ja offensichtlich um eine grundlegende Auseinandersetzung zwischen Kräften, welche die Raumplanung für die Wachstumsprobleme der Wirtschaft verantwortlich machen sowie Raumplanung und bäuerliches Bodenrecht grundlegend schwächen wollen und jenen, welche ebenfalls aus ökonomischen und wohl eher volkswirtschaftlichen Gründen in der jetzigen Zeit auf eine eigene Landwirtschaft nicht verzichten wollen. Der Kapitalinvestor möchte lieber eine unbehinderte Entwicklung des Agglomerationsprozesses in die Fläche. Der langfristig denkende und volkswirtschaftlich orientierte Unternehmer betrachtet die eigene, bodenabhängig produzierende Landwirtschaft als Standortvoraussetzung.
Zwar wird im Bericht S. 4 angeführt, dass die Thematik Bauen ausserhalb Bauzonen stets umstritten sei. „Es ist daher wichtig, für eine bereits kurzfristig vorgesehene Revision nur jene Punkte aufzunehmen, die im Interesse der Landwirtschaft möglichst rasch geregelt werden sollten und bezüglich derer relativ gute Chance bestehen, dass sich ein Konsens finden lässt.“ Aber gerade der hier angeführte „Konsens“, welcher offenbar angestrebt wird, deutet daraufhin, dass hier die sogenannten Erleichterungen für die Landwirtschaft bereits mit Erleichterungen für andere Interessengruppen gekoppelt werden, die langfristig in der oben angeführten Auseinandersetzung gegen eine bodenabhängige flächendeckende Landwirtschaft stehen werden.


3. Generelle Öffnung für nichtlandwirtschaftliche Neben(erwerbs)betriebe

Grundsätzlich ist die Landwirtschaftszone für bodenabhängig produzierende Landwirtschaftsbetriebe reserviert. Die Einkommen sollten über die kostendeckenden Produktepreise realisiert werden. Obwohl die schweizerische Landwirtschaft kaufkraftmässig in Europa der schweizerischen Bevölkerung die billigsten Nahrungsmittel anbietet, werden die bäuerlichen Produzentenpreise teilweise ohne Wissen der Bevölkerung auf EU-Preisniveau heruntergedrückt. Es mutet in dieser Situation schon eigenartig an, wenn nun die vollständige Öffnung für nichtlandwirtschaftliche Einkommensmöglichkeiten in der Landwirtschaftszone für alle Landwirtschaftbetriebe, also auch für jene, welche noch aus der bodenabhängigen Lebensmittelproduktion ein Auskommen hätten, mit dem „Nichtverstehen der Bevölkerung“ begründet wird. In Tat und Wahrheit wird hier eine generelle Öffnung der Bauzonengrenze postuliert. Damit ist verankert, dass nichtlandwirtschaftlicher Erwerb auf jedem Landwirtschaftsbetrieb zulässig ist.
Mit anderen Worten, die Preisdrückerei auf die einheimische Landwirtschaft erzwingt völlig unwidersprochen die Öffnung der Landwirtschaftszone für nichtlandwirtschaftlichen Erwerb. Das ist die Vorhut der Ausdehnung der Agglomerationsentwicklung aufs Land. Denn der optische Effekt in der Wahrnehmung der Bevölkerung wird sein, dass die Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone bei weiterer Preisdrückerei der landwirtschaftlichen Produkte, den nichtlandwirtschaftlichen Erwerb der bodenabhängigen landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit vorziehen wird. Unter diesen Umständen kann man jetzt schon voraussagen, dass in Zukunft von der Bevölkerung weiter nicht verstanden werden wird, warum eine Landwirtschaft, die nicht mehr voll Lebensmittel produziert und ihre Liegenschaften wie sonst ein Gewerbebetrieb nutzt, raumplanerisch und bodenrechtlich überhaupt noch geschützt werden soll. Die Öffnung der Landwirtschaftszone für die Wachstum generierende Agglomerationsentwicklung von Freizeit bis Wohnen wird die weitere Schlussfolgerung sein, die dann die Bevölkerung noch „verstehen“ wird.
Wenn im übrigen das Verständnis der Bevölkerung bemüht wird, dann muss doch heute gesehen werden, dass wir nicht darum herumkommen, den Zusammenhang zwischen Kosten deckenden Preisen, der Bewirtschaftung der Landwirtschaftszone zur Lebensmittelproduktion und dem raumplanerischen Schutz der Landwirtschaftszonen vor bedeutend wertschöpfungsintensiveren Produktionsformen von Gewerbe, Industrie, Dienstleistung und Immobilienwirtschaft verständlich zu machen. Das war vor der Volksabstimmung zum Raumplanungsgesetz 1979 durchaus der Fall. Es ist heute nicht zu übersehen, dass der politische Wille, über diese volkswirtschaftlich grundlegenden Zusammenhänge aufzuklären, deutlich fehlt, ja sogar die Stimmen, welche über diese Zusammenhänge berichten wollen, in Politik und Presse unterdrückt werden. Das manipulative Hochspielen von Teilwahrnehmungen der Bevölkerung darf in einem solchen Bericht, der ja nicht populistisch argumentiert, nicht der argumentative Weg sein. Es ist Pflicht des Staates, die Bürger auch über schwierige Fragen aufzuklären. Der Souverän entscheidet aus Einsicht um die Zusammenhänge. Es geht nicht an, mit der Bevölkerung, der - wie aus dem Wortlaut des Berichtes des UVEK unzweifelhaft hervorgeht - nur beschränkte Einsichten zugebilligt werden, Plebiszite durchzuführen!


4. Produktion von erneuerbarer Energie

Einen Teilaspekt der vorgeschlagenen Öffnung der Landwirtschaftszone für nichtlandwirtschaftlichen Erwerb stellt der Vorschlag des Wandels vom Landwirt zum Energiewirt dar. Warum nun die Landwirtschaft, welche man für qualitativ hochstehende Lebensmittelproduktion nicht ausreichend entschädigen will, dann ausgerechnet mit Hilfe der Energieproduktion zu einem höheren Einkommen gelangen soll, ist kaum verständlich.
Bedenkt man, dass die ohnehin nicht rentable Energieproduktion noch mit Kosten für das Abbrechen und Wegräumen der Anlagen belastet werden soll, dann ist dieser Vorschlag für Landwirtschaftsbetriebe ein deutliches Verlustgeschäft. Einkommensmässig wird dieser Vorschlag der Landwirtschaft nichts bringen. Aber auch in Bezug auf das in Zukunft zu lösende Energieproblem geht es ja darum, in erster Linie den Wachstumszwang der Wirtschaft und die daraus resultierende unnötige Blähung einer breiten Verschleisswirtschaft in Zukunft einzusparen. Hier liegen gewaltige Sparpotentiale. Zweitens geht es darum, die einheimische Wasserkraft besser zu nutzen und auszubauen. Angesichts dieses Kapitalbedarfs macht es keinen Sinn, in der Landwirtschaftszone dezentral und erklärtermassen, wie im Bericht steht, ohne die Nutzung gewerblich/Industrieller Arbeitsorganisation Energie aus Biomasse zu produzieren, die auch von der Energiebilanz her keinen ernst zu nehmenden Beitrag an das Energieproblem liefern kann.
Optisch wird lediglich eine Belastung der Landschaft mit weiterer nichtlandwirtschaftlicher Bautätigkeit und „ökologischen Anlagen“ ohne einen ernst zu nehmenden Gegenwert bewirkt. Zieht man ferner in Betracht, dass man ja gerade den Ausbau der Wasserkraft mit Argumenten des Landschaftsschutzes verhindert hat, so ist doppelt unverständlich, dass man hier nun einer dezentralen und flächendeckenden Belastung der Landschaft mit allerhand Windturbinen auf Bergkreten, Leitungen, Fermentern und Materialdepots breiten Raum geben will, ohne als Gegenleistung einen spürbaren Beitrag zur Energieproduktion zu erhalten.
Es bleibt nur die Vermutung, dass die vorgeschlagene Öffnung jedoch den Pfad ebnet für eine nichtlandwirtschaftliche Nutzung des ländlichen Raumes mit allerhand Aktivitäten für autarkes Wohnen, alternative Energieexperimente, Naturparkexperimente und vieles mehr. Dadurch wird das Terrain für eine zeitlich folgende Ausweitung der Agglomerationsentwicklung aufs Land faktisch vorbereitet. Denn wenn die Zersiedelung der Landschaft soweit vorangetrieben ist, und Bedürfnisse nach Erholung, Freizeit und verschiedenen „angepassten“ Wohn- und Existenzformen das Umland prägen, dann wird die Bevölkerung auch nicht mehr verstehen, wenn weitere Schritte dieses bereits in Gang befindlichen Ausdehnungsprozesses der Agglomeration in diese Richtung verhindert werden sollten.

Gerade dieser Vorschlag der Produktion von erneuerbarer Energie, der in nicht überzeugender Weise als Erleichterung für die Landwirtschaft hingestellt wird, darf nicht ohne die Wirkung in einem grösseren Kontext, wie dargelegt, diskutiert werden. Deshalb ist eine Diskussion der Reformszenarien unabdingbar. Das tut der Bericht nicht. Wir können deshalb einer solchen Öffnung der Landwirtschaftszone, welche für das Einkommensproblem der Landwirtschaft und die Notwendigkeit einer ökologischen Wirtschaft keinen ernst zu nehmenden Vorschlag darstellt, keine Zustimmung geben.


5. Innere Aufstockung

Mit den gleichen Argumenten, wie der nichtlandwirtschaftliche Erwerb für sämtliche Landwirtschaftsbetriebe ermöglicht werden soll, soll auch die innere Aufstockung generell allen Landwirtschaftsbetrieben gestattet werden. Geht man davon aus, dass der Lebensmittelmarkt ein gesättigter Markt ist, hat es bisher sehr wohl einen Sinn gemacht, gewisse bodenunabhängige Veredlungsmöglichkeiten jenen Betrieben vorzubehalten, die in Bezug auf die bodenabhängige Produktion räumlich, topographisch etc. eingeschränkt sind. Diese Differenzierung war Teil einer raumplanerischen Ordnungsvorstellung, um eine möglichst flächendeckende Landwirtschaft zu erhalten. Wenn nun die innere Aufstockung wahllos freigegeben wird, wird sich die Produktion auf die bezüglich Verarbeitung und Absatz besten Standorte konzentrieren. Damit wird dem Konzept der flächendeckenden Landwirtschaft ein weiterer Schlag versetzt.

Der Aufhebung der Obergrenze von 5000m2 für Gewächshäuser im Gartenbau kann dann zugestimmt werden, wenn nachgewiesen wird, dass dadurch Import ersetzt werden kann. Wenn jedoch damit lediglich bodenunabhängige Produktionskonzentrationen aus rein logistischen Gründen in der Nähe von Grossagglomerationen auf Kosten bisheriger geeigneter Standorte (wie z.B. das Seeland im Grossen Moos) verfolgt wird, passt das schlecht zu den Bemühungen um die Förderung der erneuerbaren Energien.


6. Umnutzung bestehender landwirtschaftlicher Wohnbauten zu landwirtschaftsfremdem Wohnen

Es wurde bei der Einführung der Raumplanung in der Schweiz immer klar festgehalten, dass vor dem Raumplanungsgesetz zonenwidrig erstellte Bauten, z.B. Wohnbauten selbstverständlich weitergenutzt werden dürfen. Das trifft auch grundsätzlich auf Wohnraum zu, der im Eigentum von Landwirtschaftbetrieben steht und nicht mehr voll durch die aktuelle Besetzung der Betriebsleiterfamilie genutzt wird. Man hat dieses Thema unter dem einfachen und verständlichen Slogan „Wohnen bleibt Wohnen“ geklärt.

Nun gab es Behörden, welche einzelne Landwirte gezwungen haben, solchen Wohnraum, der vor Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes vom Landwirtschaftsbetrieb geschaffen wurde und der unmittelbar von der derzeitigen Familie nicht genutzt wurde, brach zu legen und unvermietet zu belassen.
Die jetzige vorliegende Gesetzesrevision räumt mit diesem Unfug auf. Wir hätten es allerdings vorgezogen, dass auf rechtlichem Weg dieses Problem geklärt worden wäre. Denn es macht ja wenig Sinn ein Gesetz zu ändern, wenn gewisse Behörden es falsch anwenden.

Nun haben wir zwar einerseits von Gesetzes wegen die Erlaubnis, dass bestehende Wohnhäuser in der Landwirtschaftszone auch durch Nichtlandwirte bewohnt werden dürfen. Aber gleichzeitig darf dieser Wohnraum um 60% der bereits vorhandenen Wohnfläche erweitert werden. Zusätzlich dürfen die bestehenden unbewohnten Gebäudeteile der Ökonomiegebäude zur Hobbytierhaltung umgenutzt werden.

Soweit die Landwirtschaftsbehörde die entsprechende Gebäudesubstanz aus dem BGBB freigestellt hat und somit einem Verkauf an Nichtlandwirte zugestimmt hat, ist dagegen an sich nichts einzuwenden.

Das Beispiel zeigt aber ein Versagen der Recht anwenden Behörde, was nun zu einem deutlichen Eindringen der Wohn- und Freizeitbedürfnisse aus der Bauzone in die Landwirtschaftszone führt.
Wenn die Behörde die Vermietung einer zur Zeit nicht benötigten Wohnung an einen Nichtlandwirt verbietet, so betrachtet sie diesen Wohnraum nicht als ein Nutzungsobjekt, das der Landwirt logischerweise vermieten können muss, sondern sie unterstellt, die Wohnung oder das Haus sei belehnbares Grundstück analog zur Bauzone, das folglich durch den Landwirt nicht genutzt werden dürfe. Man hat hier unnötig ein Problem geschaffen, das bei Ferien auf dem Bauernhof dann auf einmal erweitert um den ausserlandwirtschaftlichen Erwerb zugelassen wird, jedoch weniger rentiert als die feste Vermietung von Wohnraum nach dem Prinzip „Wohnen bleibt Wohnen“.
Zwar hat die Landwirtschaft nun mehr Spielraum, ihre Einkommensprobleme bereits mit ausserlandwirtschaftlichem Erwerb - gleichsam einer „vertikalen“ Abwanderung zu lösen. Aber auch für nichtlandwirtschaftliche Zuzüger ist die Nutzungsmöglichkeit deutlich erhöht worden. Das wird Einfluss auf die Liegenschaftenpreise haben und das bäuerliche Erbrecht belasten.


Schlussbemerkung:
Der vorliegende Vorschlag für eine Änderung des RPG und der RPV ist nicht untergeordneter Na-tur, sondern legt wesentliche Richtungen für die zukünftige Nutzung des ländlichen Raumes fest, ohne dass darüber eine der Grundsatzfrage entsprechende Debatte geführt wurde.
Das Ziel dieser Revision, in Gesetz und Verordnung geringfügige Änderungen „zu Gunsten der Landwirtschaft“ durchzuziehen, um nachher dann umso mehr das Grundsätzliche diskutieren zu können, ist so nicht realisierbar. Damit hält diese Teilrevision nicht ein, was sie offiziell verspricht.
Es ist deshalb notwendig, dass die vorgeschlagenen Änderungen in einen klaren Kontext gestellt werden, damit die Tragweite der Änderung bzw. „der Öffnung“ ersichtlich wird. Die vorliegend der Landwirtschaft offerierten Erleichterung sind um den Preis von generellen Lockerungen an der Grenze Bauzone/Landwirtschaftszone erkauft zu Gunsten landwirtschaftsfremder Nutzungen, die weit über die Landwirtschaft hinauswirken und die langfristig der Landwirtschaft mehr Schaden als Nutzen bringen. Die Vorschläge sollen sich zielgerichtet ausschliesslich auf Erleichterungen für die Landwirtschaft beschränken.


Mit freundlichen Grüssen

Schweizerische Vereinigung
Industrie und Landwirtschaft
SVIL

Hans Bieri, Geschäftsführer

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